Einen Nachruf verfasst man normalerweise nach dem eine Person verstorben ist. Sigmar Gabriel erfreut sich soweit bekannt bester Gesundheit. Politisch der SPD-Politiker jedoch erledigt.
Der fast Kanzlerkandidat
Über Sigmar konnte man immer schon geteilter Meinung sein. Das ich mit ihm ziemliche Probleme hatte, ist kein Geheimnis. Hier im Blog habe ich reichlich darüber geschrieben. Als im vergangenen Jahr bekannt gemacht wurde, er würde nun doch nicht Kanzlerkandidat der SPD werden, war ich erleichtert. Allerdings hielt sich die Erleichterung nicht lange, denn es folgte einer ziemliche Ernüchterung. Für mich war Martin Schulz die schlechteste aller Option, von Anfang an — kann man im Übrigen auch hier im Blog nachlesen. Aus meiner Sicht begrub sich bereits im Frühjahr 2017 die Hoffnung der SPD, bei der Bundestagswahl eine Mehrheit zu erringen. Es sollte dann auch tatsächlich so kommen, sogar noch schlimmer. Aber auch dieser Niedergang war absehbar.
Persönlich habe ich immer Sigmar Gabriel für einen Teil des Problems, nicht aber für die Lösung gehalten. Das er jetzt nicht mehr der neuen Bundesregierung angehören wird, befriedigt mich ein wenig. Wirklich nur ein wenig, denn die Art und Weise, wie er abgesägt wurde, gehört erneut zu den Vorgängen, welche die SPD nachhaltig beschädigen.
Sigmar Gabriel rausgekehrt
Dem ehemaligen Außenminister werde ich keine Krokodilsträne nachweinen, so wie das etwas Heribert Prantl gestern für die Süddeutsche Zeitung getan hat. Sigmar Gabriel als beliebtesten Politiker Deutschlands zu bezeichnen halte ich, gelinde gesagt, für ziemlich gewagt. Unter Demenz leide ich noch nicht. Selbst wenn, könnte ich über Gabriel wie bereits erwähnt hier im Blog nachlesen. Er ist ein Egoman, jemand, der schwer unter Kontrolle zu bringen ist. Jemand, der erst Schulz in Spiel brachte um ihn dann später wieder in die Kandare zu fahren. Auch als Außenminister glänzte nicht alles, was er anpackte. Die Details seiner Deals möchte auch lieber nicht wissen, es könnte mich verstören.
Aber: die Art und Weise wie er jetzt von Clique aus dem Amt geworfen wurde, erschreckt mich. Das hat nicht mit einer souveränen Entscheidung zu tun, sondern dem haftet der Geruch einer politischen Säuberung an. Wieder wurde eine Entscheidung von wenigen getroffen, die ihre persönlichen Problem mit Sigmar Gabriel über kluge Entscheidungen gestellt haben. Den der Rauswurf ist taktisch alles andere als klug. Wählerinnen und Wähler werden sich zu recht wundern. Ziemlich entsetzt und in seiner Wortwahl sehr deutlich ist auch der ehemalige Oberbürgermeister von München, Christian Ude:
Immerhin hat sich der Parteivorstand enorm gesteigert: mit seinem einstimmigen Beschluss, die Regierung zu verlassen, hat er, wie wir jetzt wissen, zwei Drittel der Mitglieder übergangen, mit der Ausrufung einer „kommissarischen“ Vorsitzenden die Satzung und alle Stellvertreter, mit dem Hinauswurf von Sigmar drei Viertel (!) aller SPD-Anhänger, die ihn als Außenminister behalten wollten.
Christan Ude
Die Art und Weise des Rauswurfs ist wirklich schändlich. Kritiker mundtot zu machen, so was kennt man aus (Quasi-)Diktaturen. Aber vielleicht hat sich Andrea Nahles ja „Von Russland lernen, heisst siegen lernen“ zum Motto erkoren.