Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Moralisch befindet sich unsere Gesellschaft vermutlich jenseits einer möglichen Rettung. Milliardäre sind wichtiger als Flüchtlinge.

Gleich ist nicht gleich

Ein Unglück mit einer Katastrophe aufrechnen, darf man das? Ist nicht jeder Tote gleichermaßen zu bedauern und zu betrauern? Wir leben in einer Aufmerksamkeits- und Emporungsökonomie. Zudem haben die meisten von uns das mit der Nächstenliebe falsch verstanden — eine Reihe katholischer Priester sowieso.

Bei Unglücken und Katastrophen interessieren wir uns mehr für die, die uns am nächsten sind. Menschen aus unserem eigenen Kulturkreis sind uns wichtiger (selbst wenn sie Millionäre sind) als Menschen, die irgendwo aus Afrika kommen und auch noch mittellos sind. Man muss das wirklich so hart feststellen. Vergangene Woche ertranken Hunderte von Flüchtlingen im Mittelmeer. Die Schlagzeilen dazu sind längst vergessen. Wirklich interessiert hat das auch nur wenige.

Jetzt aber wird das Tauchboot eines Milliardärs vermisst, der exklusive Fahrten zum Wrack der Titanic für diejenigen anbot, die es sich leisten können. Für die Rettung wird alles nur möglich getan, auch wenn die Chance schlecht stehen. Mit jeder Stunde, die vergeht, schwindet die Hoffnung auf eine erfolgreiche Rettung. Ehrlich gesagt sind mir die Menschen, die sich auf diesen Tauchgang eingelassen haben, egal. Sie waren sich des Risikos durchaus bewusst und haben ohne Not sogar ein Dokument unterschrieben, dass sie möglicherweise sterben können.

Keine Rettung für Arme

Fünf vermisste „Abenteurer“ — ich würde die Passagiere ja anders bezeichnen — wiegen mehr als 600 Flüchtlingen. Die Flüchtlinge waren sich vermutlich auch des Risikos einer Überfahrt bewusst, anders als die Passagiere der Titan hatten sie aber keine andere Wahl. Etwa 500 von ihnen starben auf hoher See, ohne Chance auf Rettung. Keiner von ihnen hat den ultimativen Kick gesucht, sondern nur ein neues Leben in Würde.

Der Untergang der Titan ist ein selbstverschuldetes Unglück, der gesunkene Kutter vor Griechenland eine humanitäre Katastrophe. Eine Katastrophe, die und auch sehr deutlich unser eigenes Versagen als Gesellschaft zeigt. Genau deshalb interessiert uns die Rettung derjenigen, die in der Titan eingeschlossen in der Tiefe sind, mehr.

Beim Drama der Titan sind wir nur Zuschauer, ohne eine Spur von Verantwortung für das, was passiert. Gleichzeitig können wir bei der Rettung quasi live mitbangen, während wir beim Flüchtlingsboot nur über den Ausgang informiert wurden. Im Vorfeld gab es keine Berichterstattung.

Dieses Messen mit unterschiedlichem Maß zieht sich aber durch alle Bereiche durch. Über eine straffälligen Spitzenkochs wird in aller Breite berichte, die Kinder, die häusliche Gewalt erfahren, sind lediglich eine Zahl in der Statistik.

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