Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Immer wieder stolpert man über Totschlagargumente zum Abwürgen von Kritik. Ein Beispiel ist die Sache mit dem geschenkten Gaul.

Nachschub fürs Schrottwichteln

„Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“ Eine Redewendung, die ich noch aus meiner Kindheit kenne. Wie viele Redewendung neigt sie auch dazu, einem einfach auf die Nerven zu fallen. Besonders Leidtragende sogenannter Geschenke zu Geburtstag etc., die sie gar nicht wollten, sich aber trotzdem darüber freuen müssen, werde da zustimmen. Aber hey, irgendwo muss der Nachschub fürs Schrottwichteln ja herkommen.

Im Übrigen, einem Gaul ins Maul schauen, das wird beim Pferdekauf gemacht. Der Zustand der Zähne soll Rückschlüsse auf die allgemeine Gesundheit des Tieres liefern. Wenn die nicht so dolle ist, verzichtet man lieber auf den Kauf. Es sei denn, man bekommt den Gaul halt geschenkt. Im Worst case ist er dann ein Fall für den Abdecker, aber Gulasch ist schließlich auch eine Option.

Das mit dem Gaul und seinem Maul wird bei uns überwiegend im übertragenen Sinne verwendet. Man soll einfach nicht so kritisch sein, wenn man etwas geschenkt bekommt. Persönlich halte ich den Spruch in einer Überflussgesellschaft, wo Mitmenschen ihren Trödel auf bequeme Weise loswerden wollen, für etwas aus der Zeit gefallen.

Brettspiele ohne Gaul

Kommen wir aber zum eigentlichen Gaul, beziehungsweise Thema. Wir erinnern uns: Für meine Rezension des Spiels Race to Moscow habe ich vor wenigen Tagen als Belohnung ein Exemplar des fertigen Spiels erhalten. Bei Pegasus, den den Vertrieb in Deutschland übernommen haben, ist das Spiel mit 110 Euro gelistet. Bei einigen Händler ist es aber durchaus günstiger zu bekommen, wenn auch nicht wesentlich günstiger.

Nachdem wir gestern zum ersten Mal mit dem fertigen Spiel eine Partie zu dritt gespielt haben, machte sich bei mir deutliche Ernüchterung breit. Meiner Meinung nach ist die vorliegende deutsche Ausgabe fast schon eine Frechheit, insbesondere angesichts des Preises. Die Regeln wurden nur unvollständig ins Deutsche übersetzt, man stolpert immer wieder auf englische Fragmente. Damit kann ich noch leben. Problematisch ist es aber, dass Punkt 18, sowjetische Reaktion, einfach nur mangelhaft erklärt ist. Erst wenn man sich durch mehrerer Beiträge bei Boardgamegeek gearbeitet hat, wird ansatzweise klar, wie die Reaktion erfolgt. Hundert Prozent sicher ist man sich da aber immer noch nicht. Dabei steht und fällt das Spiel mit der korrekten Ausführung der sowjetischen Reaktion — das ist quasi der automatisierte Gegenspieler aller menschlichen Mitspieler.

Dass für drei kleine Plastikflugzeuge und ein Plastikschiff als Ersatz für die Pappmarker als Upgrade 45 Euro aufgerufen werden, ist ein ganz anderes Thema.

Ich für meinen Teil sollte mich ja (siehe Gaul) nicht über Spiel, Ausstattung und Regelqualität beschweren. Als Käufer des Spiels zum regulären Preis wäre ich aber ziemlich angepisst.

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