Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ab morgen wird der Schulunterricht bundesweit nicht einheitlich wieder aufgenommen. Der Föderalismus sorgt für Chaos in den Schulen.

E-Learning Reloaded

Bevor ich mir die Einzelheiten des morgen beginnenden Chaos in den Schulen genauer ansehen, möchte ich mir einen Moment des Rückblicks gönnen. Beim duschen ist mir nämlich heute Morgen eingefallen, was mich an der aktuellen Situation in Bezug auf das Bildungssystem persönlich besonders ärgert.

Mitte der 1990er Jahre begann ich im Rahmen meines Lehramtsstudiums, mich mit E-Learning zu beschäftigen. Von den meisten Lehrkräften und Mitstudierenden wurde ich dafür belächelt. Während ich im E-Learning Chancen sah, sahen andere darin nur eine überflüssige und unnötige Spielerei. Der Frust kombiniert mit der Einsicht, dass E-Learning in naher Zukunft keine Chance in den Schulen haben würde, sorgte damals unter anderem für eine folgenschwere Entscheidung. Ich wurde nicht Lehrer.

Während die Zeit weiter voranschritt, änderte sich in Bezug auf Digitalisierung und E-Learning in den Schulen nur sehr wenig. Es gab einzelnen Modellprojekte, in der Breite scheiterte es jedoch an fehlenden Willen und finanziellen Mitteln — die sind für Schulen ehemüde zu knapp bemessen für eine Industrienation wie Deutschland.

Das warn für mich, nebenbei gesagt, ein weiterer Punkt, nicht in die Schule zu gehen. Bildungspolitik ist das Stiefkind der Politik. Das, kombiniert mit einer miserablen Ausbildung der Lehrkräfte, bildet die Basis für das Chaos in den Schulen.

Pusten gegen das Chaos

Wünsche dir eine bessere Schule

Schönreden des Chaos

Man kann sich das Chaos in den Schulen freilich schönreden. Was ich nicht verstehe, denn bereits vor der Corona-Krise waren die Defizite offensichtlich. Baufällige Schulgebäude, Mangel an grundsätzlichem wie Handtücher und Seifen auf den Schultoiletten — um nur mit dem einfachsten Dinge anzufangen. Dazu kamen dann Freilandversuche wie Integration und G8, ohne Erprobung oder wissenschaftlich fundierte Untersuchungen über die Langzeitfolgen.

Die ehedem schon desolate Lage des Bildungswesens wird jetzt durch die Corona-Krise noch schlimmer. Diskussion wie die Streichung und Verkürzung der Sommerferien lassen wir an dieser Stelle mal bewusst außer acht. Wer so was ernsthaft anführt, hat meiner Meinung nach hauptsächlich Stroh im Kopf. Als ob die Wochen des Lockdown ein einziger Spaß für die Kinder gewesen wären. Im Übrigen seien Erfahrung mit Kindern in der Grundschule ist die: Sie wollen lernen und freuen sich darauf. Der Zeitpunkt, an dem das umschlägt, hängt auch von der Qualität der Lehrerinnen und Lehrer ab.

Zurück zum Chaos, insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Entgegen der Vernunft will man hier in NRW bereits in der kommenden Woche schrittweise den Schulbetrieb wieder aufnehmen. Auf Biegen und Brechen. Insbesondere Ministerpräsident Armin Laschet bossiert das. Wir erinnern uns vielleicht: Der Mann ist für Bildungsfragen besonders qualifiziert, da er während seiner Tätigkeit für die RWTH Aachen die Noten für verloren gegangenen Klausuren kurzerhand „erwürget“. Studierende, die nicht die Klausur mitgeschrieben hatte, bekam sogar eine gute Note.

Kein normaler Schulbetrieb

Was den kommenden Schulbetrieb betrifft, sitze ich an einer zuverlässigen Quelle. Meine Frau als Lehrerin an einem Kölner Gymnasium ist von dem Chaos selber betroffen. Ohne das irgendjemand damit Erfahrung hätte oder dafür qualifiziert wurde, liegt in den nächsten Wochen einer der Schwerpunkte auf Distanzlernen. Equipment dafür wird, wie selbstverständlich, voraussetzt.

E-Mails des Schulministeriums erreichen die Schulleitung den üblichen Arbeitszeiten, etwa gestern Donnerstag Abend um 22:10. Die vorerst letzte Mail vom Ministerium wurde Samstag Nacht verschickt.

Man will den Schulbetrieb um jeden Preis wieder aufnehmen, so viel wird klar. Wie das genau geschehen soll, müssen die Schulen dann selber festlegen. Das gilt auch für die Frage, wie die Schülerinnen und Schüler zur Schule kommen. So heißt es vom Schulministerium explizit zum Thema Schülerbeförderung:

Ein weiteres Thema, das mit der Wiederaufnahme des Schulbetriebs in engem Zusammenhang steht, ist die Schülerbeförderung. Die Frage einer infektionsschutzrechtlich zulässigen Benutzung von Bussen und Bahnen gehört jedoch nicht zum Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Schule und Bildung.

So einfach ist das. Man ist einfach nicht zuständig. Ebenso, wie das völlig überfordert Personal ohne weitere Handreichungen mit dem Chaos umgehen soll.

2 Kommentare

  1. Was Corona zeigt: Unser Gesundheitswesen ist wohl noch recht „gesund“, aber unser Schulwesen liegt danieder. Jakob Augstein betonte das im heutigen Presseclub ebenfalls. Nur habe ich da wenig Hoffnung, dass das den Laschets und Co auffällt.
    Bleibt gesund!
    Astrid

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