Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Für alte oder einfach nur schlechte Brettspiele gibt es keinen Gnadenhof. Bei übervollen Regalen stehen Brettspieler daher oft ratlos vor der eigenen Sammlung.

Brettspieltalk der Brettspielgeeks

Die Brettspielgeeks haben gestern eine neues Video online gestellt. Keine Rezension, sondern ein neues Format. Wenn man so will, ein Brettspieltalk. Ich für meinen Teil fand ich das Video sehr stark — nicht nur, weil es mutig und persönlich ist. Die angesprochenen Themen regen an, darüber nachzudenken. Jeder von uns, der Brettspiele spielt und auch sammelt, wird sich dazu früher oder später eigene Gedanken machen müssen. Platz ist nicht unendlich verfügbar. Wenn die eigene Sammlung keine Neuzugänge mehr zulässt, muss aussortiert werden. An diesem Punkt stehen die Brettspielgeeks zur Zeit. Sich von Spielen zu trennen, ist dabei nie einfach. Selbst wenn es absolute Möhren sind.

Diese Erfahrung konnte ich selber bereits im vergangenen September machen. Meine Spielekiste steht immer noch genau so gefüllt wie vor Monaten im Arbeitszimmer. Da es einen Gnadenhof für Brettspiele nicht gibt, muss man nach Alternativen suchen, wenn es mit dem Verkauf nicht klappt. Besonders dann, wenn die Spiele schon deutlich mehr Jahre auf den Buckel haben.

Gnadenhof für Brettspiele

Gnadenhof für Brettspiele

Platz auf dem Gnadenhof

Der Aufhänger bei den Geeks war der Entschluss, einmal pro Monate die Sammlung zu durchforsten und sich von zehn Spielen zu trennen. Wobei Vali das deutlich stärker favorisiert als Christopher, dem es sichtlich schwer fällt, überhaupt ein Spiel los zu lassen. Kann ich verstehen, denn mir geht es genau so. Wie groß die Sammlung der beiden ist, weiß ich nicht. Dafür kenne ich meinen eigenen Bestand, der über Jahrzehnte gewachsen ist. Ganz ehrlich, hier sind wirklich einige Möhren dabei (ich sag nur „Zündstoff — wer wird der neue All Capone?“).

Das Gefühl, zu viele Spiele zu haben, stellt sich bei mir nur deshalb ein, weil der Platz ausgeht. Und nur deshalb komme ich auf den Gedanken an einen Gnadenhof für Brettspiele. Wirklich zu viele Spiele kann man doch eigentlich nicht in der Sammlung haben. Was man spielt, ist zumindest bei uns stark abhängig von Tag, Stimmung, Mitspielern und weiteren Faktoren.
Eine größere Auswahl macht es leichter, das passende Spiel zu finden. Und großartige finde ich es auch, wenn man thematische Spielabende machen kann. Etwa ein Tag nur mit Western-Spielen.

Bleiben wir beim Gnadenhof. Sortiert man Spiele aus, die nur selten oder nie gespielt werden? Hier finde ich es schwierig. Schlechte Spiele auszusortieren ist recht einfach. Das was bei mir in der Kiste auf den Auszug wartet, gehört alles andere als zur Crème de la Crème.

Ungespielte Spiele bleiben länger

Ungespielte Spiele, vielleicht sogar noch eingeschweißt bekommen bei mir auf jeden Fall eine Chance. Aber auch die Spiele, die sehr selten gespielt werden, würde ich nicht sofort aussortiert. Warum? Weil darunter bei mir einige Spiele sind, die ich für brilliant halte. Sie habe aber eine so lange Spieldauer, dass sie deshalb nicht so oft auf den Tisch kommen. Dazu gehört zum Beispiel 1830. Dafür nimmt man sich am besten ein Wochenende frei.

Genau so gibt es ein paar GMT-Games, die bisher noch nicht gespielt wurden. Die würde ich im Leben nicht einfach hergeben. Der Punkt ist hier. es gibt einfach Spiele, die man besitzen muss. Egal ob man sie spielt oder nicht. Kunst wird ja zum Beispiel auch gesammelt und niemand käme auf die Idee, etwa eine Schüssel aus der Ming-Dynastie abends für die Vorspeisensalat zu verwenden.

Mein „Glück“ im Unterschied zu den Brettspielgeeks ist freilich, dass ich alle Spieler selber kaufe. Unaufgefordert zugesendet Rezensionsexemplare gibt es nicht. Aber wäre jetzt ein ganz anderes Thema.
Nicht unrelevant ist das, was die Geeks in Bezug die Entwicklung auf Spielemarkt angeht. Auch auch sehe hier, dass die Menge der jährlichen Neuerscheinungen zugenommen hat.

Masse statt Klasse

Ein Zuwachs bei neuen Brettspielen ist nicht gleichbedeutend mit deutlich mehr herausragenden Spielen. Es wird erstmal nur mehr auf den Markt geworfen. Zum Teil sind da auch Spiele drunter, die maximal halbfertig sind. Eintagsfliegen, die schnell vergessen werden und wenig später auf dem Wühltisch zu Spottpreisen auftauchen.

Das war im Übrigen früher nicht anders, nur im kleinen Rahmen. Damals habe ich allerdings den Fehler gemacht, bei solchen Angeboten zuzuschlagen — was einen Teil meines Platzproblems erklärt. Früher waren auch Flohmärkte eine Anlaufstelle. Scotland Yard habe ich auf einem für 2 DM gekauft. Hergeben würde ich das Spiel nicht, denn es gehört zu den Guten.
Gerade stelle ich fest, dass ich ähnlich gedanklich springe bei die Brettspielgeeks in ihrem Video. Sei es drum, vielleicht bringt es das Thema so mit sich.

Kommen wir mal zur Frage, ob Brettspiele zu günstig sind. Ehrlich gesagt sehe ich eher, dass im Vergleich teurer geworden sind. Leider wirkt sich das nicht auf die Qualität aus. Teilweise habe diesbezüglich nämlich den Eindruck, sie hätte nachgelassen.
Wie gesagt, ich kaufe schon eine ganze Zeit lange Brettspiele. Der Durchschnittspreis liegt mittlerweile bei 45 bis 60 Euro — eher selten bei 30 Euro und weniger. Nehmen wir mal 40 Euro, das entspricht dann 78,24 DM von damals. Als noch in DM bezahlt wurde, habe ich mir nie ein Spiel zu so einem Preis gekauft. Spiel haben zwischen 20 und 40 DM gekostet.

Preisentwicklung bei Brettspielen

So gesehen sind Brettspiele also nicht zu günstig. Jetzt könnte man natürlich Inflation und wirtschaftliche Entwicklung etc anführen. Aber auch hier kann ich auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, nämlich den Vergleich zu Konsolenspielen. Die sind erstaunlicherweise preisstabil geblieben.

Für meine ersten Playstation (one) Spiele habe ich ca. 120 DM bezahlt. Heutzutage kostet ein Konsolentitel durchschnittlich 60 Euro — wenn man nicht die Deluxe-Version nimmt oder im Angebot kauft.

Die Geeks bringen einen weiteren Ball ins Spiel um die Preisdiskussion. Das, was ein Spieleautor verdient. Ja, das ist nicht viel. Nur wenige Spielautoren können daher vom Spielerinnen leben. In dieser Hinsicht geht es ihnen genau so wie den Buchautoren. Und das ist, wie ich finde, ein guter Vergleich. Man würde keinem Buchautor helfen, wenn Bücher teurerer würden. Bei Spielen wird es genau so sein. Mehr Absatz ist hier wohl relevant. Dabei helfen Messen und Veranstaltungen rund um Brettspiele genau so wie YouTuber und Blogger, die über Brettspiele berichten.

Brettspiel als Kulturgut

Noch was finde ich interessant in Bezug auf den Vergleich Bücher und Brettspiel. Wenn man Bücher kauft und liest, sammeln diese sich auch im Regal über die Zeit an. Es gibt nur ganz wenige Bücher, die ich mehr als ein Mal gelesen habe. Dennoch würde ich nicht auf die Idee kommen, im großen Stil auszusortieren. Sie sind auch Kulturgut. Für Spiele gilt das meiner Meinung nach auch.

Zurück zum Gnadenhof für Brettspiele. Man trennt sich von Exemplaren im eigenen Regal, kann sie aber jederzeit besuchen kommen. Das wäre in der Tat viel besser als verkaufen, verschenken oder verbrennen. Als verbrennen von Brettspielen bei den Geeks angeschnitten wurde, hat ich eine leichte Gänsehaut. Automatisch musste ich dabei an Bücher denke.

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