Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ein Abend mit Jan Weiler kann ganz nett sein. Oder aber eine kurzweilige Form der Unterhaltung nur von gelegentlichen Moderationsversuchen unterbrochen.

Kulturprogramm lit.cologne

Während im kalten, schneeverwehten Osten wie immer um diese Zeit die Leipziger Buchmesse stattfindet, schmückt sich Köln mit der lit.cologne. Hier geht es ebenfalls um Bücher und Autoren. Für Menschen, die in der Domstadt wohnen, ist die Anfahrt allerdings deutlich kürzer. Das Gefühl, in eine andere Zone zu fahren, gibt es mitunter dennoch. Etwas wenn man sich aus Nippes aufmacht, um zum Theater am Tanzbrunnen auf die andere Rheinseite zu gelangen. Meiner Frau und mir war es aber im Vorfeld bereits klar, dass es sich lohnen würde. Schließlich ging es um Jan Weiler und seinen neuen Roman. Davon abgesehen belehrte mich meine Frau, dass sie schließlich an fünf tagen die Woche quasi visumfrei auf die andere Rheinseite fährt, weil dort die Schule liegt, in der sie arbeitet. Kann ja mal passieren.
Wie dem auch sei, „Kühn hat Ärger“. Zumindest lautet so der Titel des neuen Buchs von Jan Weiler. Kühn, dass ist der Polizist, der mich bereits im ersten Ausnahmekrimi von Weiler im Frühjahr 2015 begeisterte. Warum? Zum einen weil der Schreibstil angenehm ist, zum andere, weil die Figur einfach enorm glaubwürdig ist. Kein Superheld, sondern ein Mensch wie du und ich.

Bonsaiparket von Jan Weiler

jeon58 / Pixabay

Jan Weiler als Bühnenmensch

Die Karten für die Veranstaltung hatten wir Anfang Dezember gekauft. Es war meine Frau, die diese Perle im Programmheft entdeckte. Ich für meinen Teil war dies Mal mit dem Angebot der lit.cologne etwas überfordert. Wenn das Büffet zu voll ist, verhungert man — weil man sich nicht entscheiden kann. Den Veranstaltungsort Tanzbrunnen kannten wir vorher noch nicht. Er ist erschlagend groß, aber dennoch fehlt etwas Organisation. Das haben wir dann am Ende der Veranstaltung gemerkt, als wir unsere Jacken von der kostenpflichtigen Garderobe abholen wollte. Es kreuzten sich diejenigen, die anstanden mit denen, die einfach nur raus wollten. Man hatte nicht mal richtig Platz, seine Jacke anzuziehen. Hätte man besser lösen können. Und über Preise wie etwa 3,50 € für 0,25 Liter Sion-Kölsch brauchen wir erst gar nicht zu reden.
Bevor wir uns jedoch Jan Weiler und „Kühn hat Ärger“ zu wenden, einen Satz (oder auch mehr)zur Moderatorin Marion Brasch. Von einem Profi erwarte ich, dass er Wörter wie „Mhm“ vermeidet. Insbesondere wenn es die einzige Reaktion auf das bleibt, was der Gast zuvor gesagt hat. Sie ging mir manchmal zu schnell zum nächsten Thema über. Und ehrlich, ich erwartet auch eine gute Vorbereitung. Dazu gehört auch das Lesen des ersten Bandes. Kann man auch querlesen, ganz ehrlich. Im Übrigen ist niemand mit uralten Fotos auf Webseiten geholfen.

Kühn hat Ärger

Genug gejammert, wenden wir uns den schönen Teilen des Abends zu. Jan Weiler und seinem neuen Roman. Krimi? Eigentlich schon, aber wie drückte es Weiler gestern aus: es ist im Grunde ein Gesellschaftsroman mit etwas Krimi, so eine Art Schluckimpfung. Dazu passt auch, wie Weiler als Autor arbeitet. Er ist jemand, der alles vorbereitet. Die Figuren werden ausgearbeitet, mit vollständigen Biographien. Die tauchen zwar dann nicht im Buch auf, verschaffen dem Autor aber eine enorme Freiheit. Er kennt seine Figuren wirklich. Während die Recherche und die Ausarbeitung Monate dauert, ist die eigentliche Umsetzung bei Weiler recht flott. Den neusten Kühn hat er in etwas sechs Wochen am Stück geschrieben. Dafür saß er aber vorher nur herum, wie es für außenstehende aussehe, während sein Kopf arbeitet. Einfach drauf los schreiben hält Jan Weiler im Übrigen für Schriftstellerfolklore.
Genial bei Weiler ist, dass er betont und gut vorlesen kann. Das macht Lesungen zum Erlebnis — ist aber bei Autoren nicht immer selbstverständlich. Über den zweiten Band, um den es gestern Abend ging, möchte ich inhaltlich wenig sagen. Wir haben ihn uns direkt gekauft und er wird noch besser als der Vorgänger sein. Davon bin ich fest überzeugt.

Parkett von Manufaktum

Weiler hat einigen Passagen aus dem Buch vorgelesen, zum Teil auch ein paar Spoiler. Das machte die Lesung aber rund. Wenn andere Autoren nur die ersten Seiten chronisch vortragen, ist oft weniger spannend. Eine der Stelle, über die man gefahrlos reden kann ohne etwas zu verraten, ist die mit dem japanischen Bonsai Parkett, welches im Haus der Familie van Houten verlegt wurde. Weiler beschreibt diese Parkett kenntnisreich. Von Herstellungsprozess in japanische Präfektur Fukui, bis hin zu den Nachteilen dieses exklusiven Parketts. Das ganze erinnert ganz bewusst an Beschreibung aus dem Manufaktur-Katalog, wie Weiler gestand.
Er räumte jedoch auch ein, dass er sich das Bonsai Parkett komplett ausgedacht hat. Im Buch kommt es enorm glaubwürdig rüber. So muss es wohl sein, wenn ein hervorragender Autor eine Illusion erschafft. Ein Teil der Handlung passiert jedoch auf einer wahren Geschichte, über die Weiler in den 90er Jahren eine Reportage geschrieben hatte.

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