Menschen wie Jörg Maurer haben eine Bühnenpräsenz, die kein schmückendes Beiwerk erfordert. Den Beweis dafür trat Mauer im Rahmen der Kölner lit.cologne an.
Rinfteln fachmännisch zubereiten
Mittlerweile ist man es bei der lit.cologne so gewöhnt, dass für eine Lesung auf der Bühne immer mindestens zwei Stühle stehen. Für den Autor, die Moderatorin (oder den Moderator) und möglicherweise auch noch einen Extraplatz für die Person, welche das gesagt vom Autor übersetzt. Letzteres war für Jörg Maurer nicht notwendig, obwohl er aus Oberbayern kommt. Er spricht ein passables Hochdeutsch, so dass er ohne Untertitel zu verstehen war. Zumindest sofern man hören konnte, denn im Zuge der Bemühungen die Veranstaltungen barrierefrei zu machen, gab es zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen. Die bezog Jörg Maurer auch ganz direkt ein, als es um die bayrischen Rinfteln ging — aber dazu kommen wir später.
Auf der Bühne jedenfalls gab es nur ein Stuhl und der war für Jörg Maurer bestimmt. Keine Moderation, was nach den Erfahrungen am gestrigen Abend mit einem anderen (nicht gebürtigen) Bayern auch ganz vielversprechend erschien.
Eigentlich hatten wir erwartet, es würde um den Krimi „Am Abgrund lässt man gern den Vortritt“ gehen. So stand das jedenfalls im Programm der lit.cologne:
Ursel Grasegger, Bestattungsunternehmerin a.D., macht sich Sorgen: Ihr Mann Ignaz ist verschwunden. Abgestürzt? Durchgebrannt? Entführt? Als ein Brief mit Morddrohungen eintrifft, bittet Ursel Kommissar Jennerwein um Hilfe – ganz inoffiziell. Im Laufe der Ermittlungen muss Jennerwein sich fragen, auf welcher Seite des Gesetzes er steht.
Damit weiß man dann schon mehr, als man gestern Abend von Maurer selber erfahren hat.
Jörg Maurer am Abgrund
Zugegeben, die Jennerwein-Krimis von Jörg Maurer kannte ich bisher noch nicht. Genauso wenig wie das Multitalent Maurer überhaupt. Aber man lässt sich ja gerne überraschen, die Autor selber etwa von Rinfteln (wie gesagt, wir kommen da später noch zu). Jedenfalls, um den neusten Krimi aus der Reihe ging es auch, aber nicht hauptsächlich. Maurer verschaffte einen Überblick über die gesamte Reihe und sein weiteres Schaffen. Etwa den nützlichen Ratgeber „Bayern für die Hosentasche“. Dort wird zwecks Studium des Authentischen unter anderem der Glöckelberger besucht, um dort Rinfteln zu bestellen. Die sich Jörg Maurer komplett ausgedacht hat, genauso wie die Lokalität. Natürlich ließ es sich Maurer nicht nehmen nachzufragen, wie man den Rinfteln in Gebärdensprache übersetzt — man buchstabiert es.
Der Abend verlief so unterhaltsam, dass man komplett die Zeit vergaß. Man muss es natürlich auch mögen, Szenen wie etwa den Anfang des Jennerwein-Krimis „Unterholz“ mehrfach zu hören. Immer wieder anders interpretiert vom Autor selber, der beispielsweise den im Wald liegenden Jennerwein beschrieb, wie es Thomas Bernhard getan hätte. Großartig auch die Imitation von Franz Kafka. Die Kurzgeschichte „Vor dem Gesetz“ umgemünzt auf ein Fußballspiel, ein Gespräch zwischen dem Torhüter und einem Stürmer.
Doch nur Lokalkrimi
Vom aktuellen Krimi gab es dann noch das Ende, welches Jörg Maurer vorlas. Panik, weil etwa gespoilert wird? Musste man nicht haben, denn Maurer ersetzt Schlüsselwörter durch andere Begriffe, wie „Kuckuck“ oder „Phff“. So was kann man gar nicht schreibend wiedergeben, man muss es erlebt haben. Live erlebt haben. Damit komme ich dann zum Problem mit den Krimis von Maurer. Wie gesagt, der Abend war grandios, aber einen Jennerwein-Krimi als Buch würde ich mir nie kaufen. Das Ganze lebt durchs vortragen — etwas vergleichbar mit den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling. Zum gibt es alles von Maurer auch als Hörbuch, gelesen vom Autor selber. Das wäre dann für mich eine echte Alternative. Aber wir kennen ja mein Problem mit Hörbüchern generell.
Von der Handlung her vermute ich auch stark, dass Krimis eher in Richtung Lokalkrimi gehen. Das hört sich jetzt negativer an, als es gemeint ist. Aber derzeit stehe ich eher auf die Zuckerwürfel, wie Jan Weiler sie bietet. Es ist eine andere, mehr feinsinnigere Form der Unterhaltung. Wer sich selber ein Bild machen will, der kann (sofern vorhanden) bei Spotify mal nach Jörg Maurer suchen. Die ersten beiden Kapitel aus dem Bayern-Ratgeber hörten wir gestern Abend vorm einschlafen. Sie sind wirklich gut.