Die Jury Spiel des Jahres teste die Intelligenz der deutschen Brettspieler. Sie kam am Sonntag zu einem vernichtenden Ergebnis.
Deutschland verblödet
Über Intelligenz gibt es eine Menge Theorien. Laut einer davon ist die Gesamt-Intelligenz auf diesem Planeten eine Konstante. Je mehr Menschen es gibt, desto dümmer ist der Durchschnitt. Es gibt sicherlich Alltagserfahren, mit welchen sich die Aussage, „Deutschland verblödet“ belegen ließe. Zumindest dumme Menschen könnten das dann glauben. Auf der anderen Seite sollte man die offenbare abnehmende Intelligenz von Brettspielern nicht als Maßstab nehmen.
Wer eine auch nur leichte Affinität zur Brettspielwelt besitzt, wird vermutlich schon erahnen, worum es heute geht. Gestern Abend gab die Jury Spiel des Jahres die diesjährigen Preisträger bekannt. Die gute Nachricht: Spiel des Jahres (roter Pöppel) wurde „Dorfromantik“. Zu Recht, wie ich finde. Das Spiel erfüllt meiner Meinung nach viele Kriterien, gerade auch in der Kategorie Familienspiel.
Allerdings muss ich hier auch anmerken, dass Dorfromantik in einigen Spielegruppen nicht gut ankam — selbst bei Spieler:innen, die das Computerspiel kennen und mögen. Möglicherweise hat der Hype Train kooperatives Spiel aber auch ordentlich an Fahrt verloren.
Wie dem auch sei, eine ganz andere Nummer in diesem Jahr ist der Preisträger in der Kategorie „Kennerspiel“. Man bekommt den Eindruck, die Jury will die Intelligenz der Brettspielcommunity testen. Einfach mal schauen, ob es jemanden auffällt, wenn man zwei Spiele mit dem roten Pöppel auszeichnet — zumindest vom Niveau her.
Teste deine Intelligenz
Mit Challengers! wurde ein Spiel als „Kennerspiel des Jahres“ ausgezeichnet, welches meiner Meinung nach allenfalls das Zeug zu einem „Spiel des Jahres“ gehabt hätte. Wobei ich ein Stichspiel mit Deckbaumechanik nicht wirklich innovativ finde. Es ist im Kern eher ein Partyspiel für größere Gruppen. Definitiv kein Vergleich zu vorherigen Preisträgern wie Flügelschlag (2019) oder Istanbul (2014).
Noch deprimierender wird es, wenn man sich die Nominierungsliste der vergangen Jahre für das „Kennerspiel des Jahres“ ansieht. Hier finde sich Titel wie
- Dune: Imperium (2022)
- Die verlorenen Ruinen von Arnak (2021)
- Räuber der Nordsee (2017)
- Terraforming Mars (2017)
- Orléans (2015)
Im Jahr 2017 gewann dann allerdings weder Räuber der Nordsee noch Terraforming Mars den Preis, sondern die Wegwerfreihe „EXIT – Das Spiel“ (die in etwa so spannend sind wie das Ausfüllen von Excel-Tabellen bei Kerzenschein).
Natürlich ist wieder das Mantra zu vernehmen, dass die Jury Spiel des Jahres (mittlerweile) eine andere Zielgruppe im Auge habe. Meiner Meinung nach begeistert man aber nicht dadurch Menschen für Brettspiel, in dem man das Anforderungsniveau an Preisträger immer weiter absenkt. Es ist schlicht eine Beleidigung der Intelligenz derjenigen, die wirklich gerne spielen.