Vor Gericht wirkt sich bei der Festsetzung des Strafmaßes ein Mangel an Einsicht nicht positiv aus. Die fehlt allerdings häufig.
Ball flach halten
Man sagt, Einsicht sei der erste Schritt zur Besserung. Das Problem unserer Zeit ist allerdings nicht nur ein eklatanter Mangel an Fachkräften, sondern eben leider auch ein Mangel an Einsicht. In der Politik wird erst dann zurückgetreten, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt. Die Schuld wird in dem Fall bei anderen gesehen, während man selbst sich keiner bewusst ist.
Oder aber ein Sänger lässt seine Anwälte gegen angebliche Verleugnung vorgehen, statt erstmal den Ball flach zu halten und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten.
Ähnlich tickt der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki, der nach Protesten in Aachen aufgrund seines geplanten Erscheinens bei einem Pilgergottesdienst meinte:
Ich wäre als Pilger nach Aachen gekommen, so wie viele Tausende auch. Ich bin davon überzeugt, dass es unter Christen möglich sein muss, unterschiedliche Auffassungen zu haben.
Meiner Meinung nach hat es in Bezug auf die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche keine unterschiedlichen Auffassungen zu geben. Aber wie gesagt, Einsicht ist ein sehr knappes Gut geworden. Ebenso wie Anstand, dass man bestimmte Dinge so nicht machen sollte. Zum Beispiel in Uniform der Bundespolizei als Rednerin bei einer CDU-Veranstaltung auftreten.
Keine Besserung ohne Einsicht
Es zeugt von mangelnder Einsicht und fehlendem Fingerspitzengefühl, wenn man sich dann in Uniform eindeutig politisch positioniert. Meiner Meinung nach verstößt es gegen das Neutralitätsgebot, wenn man sich gegen Gendersternchen ausspricht und das Zigeunerschnitzel erhalten möchte — am besten noch als Gericht bei einem deutschen Liederabend. Insbesondere dann, wenn man die Angst von Frauen vor Übergriffen durch Asylbewerber in öffentlichen Verkehrsmitteln beschwört. Zu Recht fragt die taz, „Wie viel Hetze und Rechtspopulismus ist in Staatsuniform erlaubt?“
Das Anziehen einer Uniform ist ein ganz bewusster Akt. Claudia Pechsteins wollte wohl damit auch verdeutlichen, dass es mehr als nur eine Rede einer Privatperson sein. Noch wird nicht von einem Versehen gesprochen oder das man andere Kleidung gerade zufällig in der Reinigung gewesen seien.
Immerhin zeigten die Wähler:innen in Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt Schwerin bei der Wahl des Oberbürgermeisters Einsicht — beziehungsweise 67,8 Prozent von ihnen, die in der Stichwahl am vergangenen Sonntag für den SPD-Kandidaten Rico Badenschier stimmten. Dass 32,2 Prozent von ihnen dem AfD-Kandidaten Leif-Erik Holm ihre Stimme gaben, stimmt nicht gerade froh und lässt einen bösen ahnen in Bezug auf die anstehenden Wahlen im Osten unseres Landes.