Der Pulsschlag der SPD lässt in Nordrhein-Westfalen zunehmend nach. Die Sozialdemokratie ist fast scheintot.
Exklusion bei NRW-Wahl
„Hast ’nen Pulsschlag aus Stahl“ sang einst Herbert Grönemeyer über seine Heimatstadt Bochum. Damals, als Nordrhein-Westfalen noch SPD-Kernland war und das Ruhrgebiet die Herzkammer der Sozialdemokratie. Zumindest das Ruhrgebiet hat mehr SPD gewählt am vergangenen Sonntag als der Rest von NRW. Dennoch, der Pulsschlag der SPD in NRW ist kaum noch zu spüren. Die Sozialdemokraten erreichten im Bundesland mit fast 18 Millionen Einwohner das schlechteste Ergebnis seit 1949.
Man kann jetzt einiges an Erklärungs- und Deutungsversuchen wagen, zuerst aber die harten Fakten nach dem Wahlsonntag. Das vorläufige amtliche Endergebnis:
- CDU 35,7 % (+2,8 %)
- SPD 26,7 % (-4,6 %)
- GRÜNE 18,2 % (+11,8 %)
- FDP 5,9 % (-6,7 %)
- AfD 5,4 % (-1,9 %)
- Linke 2,1 % (-2,8 %)
Sehr erschreckend ist die Wahlbeteiligung. Sie lag lediglich bei 55,5 %. Kein gutes Ergebnis für die Demokratie. Spannend in dem Zusammenhang ist, wenn man sich die Statistik etwas näher anschaut. Laut Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen gab es 12.964.754 Wahlberechtigte. Bei rund 17,9 Millionen Einwohnern sind das fünf Millionen Menschen, die nicht an der wählen durften. Davon sind 2,7 Millionen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Gewählt haben dann lediglich 7.201.210 Wähler:innen. Bei 54.622 ungültigen Stimmen macht das dann 7.146.588 Stimmen, die sich auf die einzelnen Parteien verteilen. Oder mit anderen Worten, über 10 Millionen Menschen haben nicht gewählt in NRW.
Demokratie ohne Pulsschlag
Wer immer auch künftig NRW regieren wird, sollte sich Gedanken darüber machen, warum so wenige Menschen teilhaben an dem, was einer der Grundpfeiler unserer Demokratie ist. Vermutlich wird das Thema aber recht schnell wieder aus dem Blickwinkel verschwinden. Es ist Gift für die Demokratie, wenn der Pulsschlag immer stärker nachlässt — wenn die Menschen sich abwenden, nicht mehr einbringen.
Zurück aber zu den einzelnen Parteien. Die AfD ist leider noch im NRW-Landtag vertreten, die Linken bleiben ihrem Bundestrend treu. Geschafft über die Fünf-Prozent-Hürde hat es die FDP, wobei es anfangs am Abend eine ziemlich Zitterpartie für die Liberalen gewesen ist. Hauptursache dürfte hier vor die schlechte Performance der Schul- und Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) gewesen sein.
Die Grünen profitierten von zwei wichtigen Faktoren. Die hervorragende Arbeit auf Bundesebene, namentlich die von Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der zweite Faktor ist das sich immer stärker herausbildende Grüne Milieu in größeren Städten. Köln ist in grüner Hand, ebenso wurde in Münster und Aachen gewählt. Die neuen Herzkammern in NRW mit einem grünen Pulsschlag. Bei den Zweitstimmen gab es dazu noch Erfolge in Bielefeld und Bonn zu verzeichnen.
Regierungsauftrag in NRW
Für die SPD gab es in Nordrhein-Westfalen keinen Scholz-Effekt. Und wenn, dann höchstens einen negativen. Der Absturz ist bitter, aber auch Ergebnis einer fehlenden echten Erneuerung. Dass die SPD mit de eher unbekannten Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty ins Rennen ging, wird wohl kein Nachteil gewesen sein. Bei der CDU hatte der Laschet-Nachfolger Heiko Wüst auch nur wenig Zeit, um im Amt zu glänzen, dafür aber noch ein paar Affären abzuwickeln. Dennoch ein Plus von 2,8 Prozent einzufahren, ist schon eine Leistung.
Mittlerweile kursieren schon die ersten möglichen Koalitionen. Alleine kann es die CDU nicht, eben sowenig wie zusammen mit der abgestraften FDP. Logisch wäre Schwarz-Grün, aus meiner Sicht auch die einzige Konstellation, die sich auf so was wie den Wählerwillen zurückführen ließe.
Dagegen halte ich eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP genauso für falsch wie eine aus CDU und SPD.