Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Beim Wechsel von der Großstadt in eine Kleinstadt stößt man mitunter auf unerwartete Mauern in den Köpfen der dort lebenden Menschen.

Ostfriesische Übersetzungen

Manchmal fremdle ich noch etwas mit der neuen Heimat, was zum Teil auch an der Sprache liegt. Hier in der Region bedeutet „ich gebe das so weiter“ mitunter: Das interessiert in unserem Laden doch keine Sau.

Auch die Überpünktlichkeit der hiesigen Handwerker ist gewöhnungsbedürftig, wenn man zuvor in Köln gewohnt hat. Ja ich weiß, ich lästere viel über die Domstadt am Rhein. Eine Sache aber muss ich positiv hervorheben. Auf die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) lasse ich nichts kommen. Die Mitarbeiter dort machen einen verdammt guten Job und kämpfen täglich gegen den Kölner Hang, Müll überall zu entsorgen, tapfer an.

Hier in Emden ist es in Bezug auf den Müll mehr so eine Sache der Zuständigkeitsbereiche. Wenn man eine, ostfriesischen Mitarbeiter anweist, etwa den Bodenverschluss einer öffentlichen Mülltonne zu überprüfen, wird er genau das machen. Wenn bereits Müll neben der Tonne liegt, ist das nicht seine Aufgabe.

Nun denn, ich will mal nicht so viel jammern, im Großen und Ganzen bin ich mit meiner neuen Heimat zufrieden. Leben in der Kleinstadt scheint für mich zu passen. Allerdings gab es heute aufgrund eines Artikels einen herben Rückschlag. Eine Erinnerung dran, was Kleinstadt noch bedeuten kann.

Eingeengt in der Kleinstadt

Mich hat der Artikel in der Emder Zeitung über Mirco Frerichs erschüttert. Ein junger Mensch, in Emden aufgewachsen, verlässt die Stadt aufgrund von Hass und Gewalt. Im vergangenen September flog er nach Berlin, in die Großstadt. Immer wieder war er in Emden wegen seiner Homosexualität angefeindet worden. Es gab nicht nur dumme Sprüche, sondern einen Angriff auf offener Straße.

An diesem Punkt fehlt mir Köln mit seiner gelebten Toleranz gegenüber Homosexuellen und anderen Menschen, die nicht in das „bürgerliche Raster“ passen. Kleinstadt, das kann auch bedeuten, schlichtweg keine Luft mehr zum Atmen zu haben. Anders sein geht offensichtlich nur anderswo. Der Fall an sich macht betroffen, gleichzeitig erinnert er mich aber auch an etwas, was ich längst verdrängt hatte.

Auch ich wollte damals der Kleinstadt Wesel entkommen. In wuchs das zunehmende Gefühl, nicht reinzupassen. Weg von der eingefahrenen Muster und Engstirnigkeit. Bielefeld als Studienort wurde für mich zur Befreiung. Ansatzweise kann ich daher nachvollziehen, wie sich Mirco Frerichs fühlt.

Es ist lobenswert, dass die Emder Zeitung über so was berichtet. Mich würde aber auch interessieren, wie in Emden künftig Übergriffe auf anders lebende verhindert werden können. Anders gefragt, wie sorgt man für mehr Toleranz?

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