Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Linke Demonstranten kennen Wasserwerfer als probates Mittel der Polizei schon länger. Für Querdenker ist er eine neue Erfahrung.

Sogenanntes Ermächtigungsgesetz

Mehr denn je halte ich einen vernünftigen Geschichtsunterricht für extrem wichtig in den Schulen. Wobei er leider keine Garantie dafür ist, dass populistische Quertreiber Begriffe, Personen und Ereignisse missbräuchlich verwenden. Selbst friedfertige Naturen wünschten sich in den vergangenen Wochen die Einführung von pädagogisch sinnvollen Ohrfeigen beziehungsweise einen das Lernverhalten positiv unterstützenden Schlag in den Nacken — nützt natürlich nichts, wir wissen das zum Glück.

Aber dennoch. Das Eltern ihr Kind dazu trieben, auf einer Querdenker-Demo in Karlsruhe zu behaupten, sie fühle sich durch den Lockdown und die Maßnahmen zum Infektionsschutz wie Anne Frank ist unglaublich. Nicht nur unglaublich dumm, sondern dermaßen Geschichtsvergessen, dass es einem den Atem raubt. Ein paar Wochen zu Hause bleiben zu müssen ernsthaft mit dem Leid und der Ermordung von sechs Millionen Juden gleichzusetzen, ist unfassbar.

Ebenfalls unfassbar sind für mich Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 in Bezug gestern vom Bundestag beschlossenen Gesetzesform zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Wie oft muss man vom Wickeltisch gefallen sein, um auf so einen Vergleich zu kommen? Nach wie vor leben wir in einer Demokratie, auch wenn es einigen (etwa AfD-Abgeordneten) nicht passt.

Demonstrationsrecht und Wasserwerfer

Was zum Teil an Blödsinn in den Köpfen von Menschen herumgeistert, ist erstaunlich. Da wird wild alles zusammen gerührt. So beklagte sich in ein und demselben Kommentar eine Facebook-Nutzerin über die gestern angebliche Abschaffung des Grundgesetzes und führet wenige später an, dass uns dieses Grundgesetz von den Besatzungsmächten aufgezwungen wurde.

 

Wasserwerfer als Mittel der Wahl gegen Demonstranten helfen leider nicht, wenn man als Kind zu heiß gebadet wurde.

Dass Wasserwerfer gegen die Demonstranten vor dem Reichstag eingesetzt wurden, ist durchaus angemessen gewesen. Vor allem, da diese mit Argumenten und Aufforderungen nicht erreichbar waren. Mindestabstand und Mund-Nasen-Bedeckung musste man auch eher mit der Lupe suchen.

Hinsichtlich des neuen Gesetzes sollte man ganz deutlich betonen, was es eigentlich auch im Kern macht. Es ist, wie der parlamentarische Geschäftsführer von CDU/CSU, Michael Grosse-Brömer, betonte, ein „Parlamentsstärkungsgesetz“. Anders als im Frühjahr werden die neuen Maßnahmen nicht lediglich von der Bundesregierung und den Landesregierungen getragen, sondern vom Parlament in Mehrheit.

In dem Zusammenhang von einer Gesundheitsdikatur zu sprechen, ist also unangemessen. Wer sich in seiner Freiheit eingeschränkt sieht und eventuell etwas aus einem Wasserwerfer ab bekommen hat, dem sei Folgendes gesagt. Das neue Gesetz stärkt auch das Demonstrationsrecht derer, die es im Grunde missbrauchen.

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