Von allen guten und bösen Geistern verlassen

In Thüringen wurde Bodo Ramelow im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt. Den Handschlag eines AfD-Politikers verweigerte er.

Respektvoller Umgang

Wie man in Thüringen mit Nazis und ihren Sympathisanten umgeht, zeigte bereits die Geste von der Politikerin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow. Als beim ersten Mal im dritten Wahlgang der FDP-Mann Thomas Kemmerich gewählt wurde, warf sie ihm den Blumenstrauß vor die Füße. „Lasst Blumen sprechen“— In diesem Fall war es eine sehr deutliche Sprache. Wer sich mit den Stimmen der AfD wählen lässt, dem verweigert man den Respekt. Ganz einfach deshalb, weil er ihn nicht verdient hat.

Natürlich kann man über das Verhalten von Susanne Hennig-Wellsow diskutieren. Meiner Meinung nach ist es aber nur eine Ablenkung vom eigentlichen Skandal. Dieser führte in der Folge zu mehreren Rücktritten, sogar der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer wurde er zum Verhängnis. Zur Zeit laufen die Bewerbungen für ihre Nachfolge.

Gestern fand dann im Thüringer Landtag ein neuer Anlauf statt. Und wieder sah es nach einem Drama aus. Immerhin, diesmal versuchte es die AfD nicht mit Taschenspielertricks, sondern schickte direkt ihren Rechtsaußenspieler Björn Höcke ins Rennen. Erst im dritten Wahlgang wurde dann Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt. Damit löste er Thomas Kemmerich als Interims-Lösung ab. Auf den AfD-Kandidaten Höcke entfielen dabei in den Wahlgängen nicht mehr Stimmen, als die AfD im Landtag besitz. Die CDU hielt sich an die Vereinbarung und enthielt sich.

Morgenröte für den Handschlag

Hoffnungsschimmer in Thüringen

Verweigerter Handschlag

Statt „Keinen Fußbreit für Faschisten“ hieß nach erfolgreicher Wahl dann „Keinen Handschlag für Faschisten“. Ramelow verweigerte Höcke den Handschlag, als dieser ihm zur Wahl beglückwünschen würde. Jetzt kann man wieder über Sitten und Gebräuche diskutieren, über Handschläge, Blumensträuße und darüber, ob es den Linken an Respekt mangelt. Meiner Meinung nach ist das absoluter Blödsinn. Ehrlich gesagt finde ich es gut, wenn jemand, Courage zeigt. Alles immer mit Gepflogenheiten zu kaschieren, ist der falsche Weg.

Zudem begründete Bodo Ramelow anschließend im Landtag, warum er Höcke den Handschlag verweigerte. Er bezog sich dabei auf die Wahl von Kemmerich und den drauf folgenden Aussagen von AfD-Politikern, man habe Kemmerich eine Falle gestellt und er sei ihnen auf den Leim gegangen. Laut Ramelow habe der, welche solche Aussagen tätigt, sein Verhältnis zu demokratischen Institutionen zu klären. Erst wenn er, Ramelow, deutlich vernehmen kann, dass die Demokratie im Vordergrund steht, wäre er auch bereit, Herrn Höcke die Hand zu geben.

Das sind starke Worte. So was wünsche ich mir häufiger und auch an anderen Stellen.

2 Kommentare

  1. Die haben sie wohl richtig gefunden zu haben, Ramelows Weigerung, Höckes Gratulation, seinen Handschlag anzunehmen, wird von manchen gefeiert als Ausdruck von besonderer Charakterstärke. Nach Kemmerichs Wahl fand ich es ok, dass Hennig-Wellsow ihm den Strauß vor die Füsse warf.

    Die Geste war emotional und für mich gut nachvollziehbar. Nach Ramelows Wahl fand ich sein Verhalten falsch. Das vermutlich eher weniger aus Sympathiegründen, denn meine Sympathie für Höcke liegt unterhalb der Grasnarbe.

    Die Gratulation per Handschlag ist in unserer Kultur ein normaler Vorgang mit jahrhundertelanger Tradition.

    Corona kann uns daran hindern, uns die Hand zu geben, die Gratulation zur Wahl zum Ministerpräsidenten sollte es nicht. Aber mir ist klar, dass ich ich damit eine krasse Minderheitenmeinung vertrete und mein Argument ein bisschen gefühlig wirkt.

    1. Ich selber hätte Höcke wohl reflexartig die Hand gegeben. Erziehung ist auch in solchen Momenten schwer zu bremsen. Das Verhalten von Ramelow finde ich, wie bereist geschrieben, gut. Vor allem, weil er es ja auch begründet hat. Und mit normalen Vorgängen muss man manchmal auch brechen, um ein Zeichen zu setzen.

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