Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Here I Stand — Das Brettspiel

Die Reformation in Europa im 16. Jahrhundert als Brettspiel. Here I Stand ist eines der Spiele für verregnet Wochenenden.

Einlassen aufs spielen

Brettspiele haben viel mit Essen gemeinsam. Hüben wie drüben gibt es sowohl Fast Food als auch mehrgängige Menüs, für die man sich richtig Zeit nehmen sollte. Dabei kann auch Fast Food schmecke, keine Frage. Brettspiele, die 20 Minuten oder weniger Zeit in Anspruch nehmen, sind entsprechend nicht per se schlechter als abendfüllende Spieltischfüller.
Oft ist die Gelegenheit beziehungsweise das eigene Zeitbudget die determinieren Komponente. Wobei es auch Mitspieler gibt, die für sich von vornherein ausgeschlossen haben, je etwas zu spielen, was länger als 50 Minuten dauert — oder so ähnlich.

Für das vergangene Wochenende waren meine Frau und ich eingeladen worden zu einer Partie Here I Stand. In Ultrakurzfassung ist das Spiel von GMT Games die Reformation als Brettspiel. Das hört sich furchtbar langweilig an, ist aber trotz der naheliegender Bezüge kein religiöses Indoktrinationsspiel. Abgesehen davon nutzen christliche Sekten ja wohl eher unverdächtige Spiele, um auf Menschenfang zu gehen.

Wer mit dem Verlag GMT Games schon etwas anfangen kann, weiss vermutlich, worauf er sich einlässt. Die Spiele als „komplex“ zu bezeichnen, ist ziemlicher Euphemismus. Um das in konkreten Zahlen auszudrücken: Das Regelbuch bei Here I Stand bringt es auf 44 Seiten und hat ein gewöhnungsbedürftiges Layout,  jedenfalls für den durchschnittlichen Brettspieler.

Here I Stand

Here I Stand

Spaß mit Here I Stand

Um es schon mal vorweg zu nehmen, wir hatten einen großartigen nachmittag und Abend mit Here I Stand, auch ohne alle regeln zu kennen. Es hilft, wenn man es mit jemanden spielt, der es bereits kennt und sich in die Regeln eingearbeitet hat. Zudem sollte man sich davon frei machen, in der ersten Partei alles richtig hin zu bekommen. Perfektionistisch veranlagte Eurogamer sind hier definitiv falsch.

Es wird mit Sicherheit einige weitere Partien benötigen, bis meine Frau und ich in die Tiefen von Here I Stand vorgedrungen sind. Das ist in diesem Fall aber überhaupt nicht schlimm, genau so wenig wie die Spieldauer selber. Die liegt zwischen vier uns sechs Stunden — Zeit, die wie im Flug vergeht.

Das aus meiner Sicht wirklich geniale bei Here I Stand ist die wie Mechanik und Thematik ineinander greifen. Oder anderes gesagt, den Papst würde es möglicherweise freuen, wenn er auf diese Weise den Verlauf der Reformation ändern könnte.
Im Gegensatz zu viele Eurogames aus den letzten Wochen für die ich auch Rezensionen geschriebenen habe, ist HIS ziemlich interaktiv. Jeder Spielzug richtet sich auf die eine oder andere Weise direkt gegen Mitspieler oder aber hilft einem verbündeten Mitspieler. Niemand spielt vor sich hin, jeder versucht deutlich sichtbar sein Ziel zu verwirklichen. Konfrontation? Auf jeden Fall!

Mehr Details, bitte!

Bei Here I Stand ringen drei bis sechs Spielerinnen und Spieler (es gibt auch eine Variante für zwei) um die religiöse Vorherrschaft in Europa. Im Detail sind es sechs Fraktionen: Ottomanen, Habsburger, England, Frankreich, Papsttum und die Protestanten.

Die einzelnen Mächte sind dabei weitestgehend asymmetrisch. So können zum Beispiel die Franzosen als Einzige Châteaus bauen, während die Habsburger großartige Entdeckungen in der neuen Welt machen können. Dafür springen die Franzosen sofort Schottland zu Hilfe, wenn England nach Norden vordringt. Wobei der englische Regent immer wieder als Bittsteller beim Papst aufkreuzt, um seine nächste Scheidung voran zu treiben.

Das die Ottomanen sich nicht nur Piraterie beschränken, sondern möglicherweise bald vor den Toren von Wien stehen, weiss der Habsburger wohl schmerzlich genug. Gemeinsam mit dem Papsttum ist es die Fraktion, die am wenigsten Interesse an der Ausbreitung der Reformation hat und gerne nach erfolgreichen Debatten die evangelischen Ketzer verbrennt.

In der Kurzform hört sich das genau so an, wie sich HIS auch spielt. Dynamisch, abwechslungsreich und zumindest in der Besetzung mit drei Spielern kurzweilig.

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