Am vergangenen Freitag verstarb der früheren US-Präsident George H. W. Bush im Alter von 94 Jahren. Er hinterlässt ein verwundetes Land.
Frage des Zeitpunktes
Die Überschrift dieses Artikels passt nicht zum Alter des Verstorbenen. Da George H. W. Bush 94 Jahre alt wurde, lässt sich nur schwer von „zu früh gestorben“ reden. Überhaupt ist es eigentlich unsinnig, im Zusammenhang mit dem Tod von zu früh zu sprechen. Das suggeriert nämlich, es gäbe einen richtigen Zeitpunkt. Und auch ein zu spät sterben. Meistens verhält es sich so, dass der Tod immer ungelegen kommt.
Für einige von uns kommt er überraschend, andere blicken ihm längere ins Auge und haben noch Gelegenheit, ihren Nachlass zu regeln. Im Zusammenhang mit dem Tod ist Abschied nehmen und ein wichtiger Aspekt. So wohl für die Angehörigen als denjenigen, der uns verlässt.
Man kann über Schmerzen reden, nachlassendem Lebenswillen oder Gewaltsamkeit, mit der Menschen aus unsere Mitte gerissen werden. Hat man ein Alter von 94 erreicht wie George H. W. Bush, so steht einem auch zu, einfach nur loslassen zu dürfen. Loslassen nach einem langen, erfüllten Leben. Vor allem dann, wenn der Partie, mit dem man 73 Jahre verheiratet war, Monate zu vor verstarb.
Nachruf auf George H. W. Bush
Die Süddeutsche Zeitung schrieb über George H. W. Bush, er sei der letzte letzte Patrizier im Weißen Haus gewesen. Ich glaube, das trifft es ganz gut. Auch der Nachruf in der heutigen Ausgabe der SZ ist durchaus lesenswert. Schmerzlich bewusst wurde mir, wie viel George H. W. Bush vom amtierenden US-Präsidenten unterscheidet. Wahre Größe kann man nicht mit Geld kaufen. Das Bush kein Engel war und politisch überwiegend einen mir nicht sympathischen Kurs gefahren ist — geschenkt.
Kommen wir aber zurück auf „zu früh“. Ebenfalls gestorben an diesem Wochenende die deutsche Radio- und Fernsehmoderatorin Stefanie Tücking — im Alter von 56 Jahren. Es heisst, sie sei „völlig überraschend“ gestorben. Auch über diese Formulierung kann man nachdenken. Zur Zeit ist die Todesursache noch unklar. Genau das ist dann aber losgelöst von anderen Fragen der entschiedene Punkt. Die Hinterbliebenen, die Trauernden — sie möchten Gewissheit haben. Einfach so sterben kollidiert mit unseren Vorstellungen.
Je älter man selber wird, desto stärker sorgen Meldungen, jemand sei überraschend gestorben, für Angst. Angst, dass es einen selber überraschend treffen kann. Man hat doch noch so viel vor, fühlt sich jung.
Der Tod macht alle Menschen gleich. Der Zeitpunkt jedoch macht den erheblichen Unterschied, wie sich bei George H. W. Bush und Stefanie Tücking zeigt.