Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Neue Brettspiele muss man nicht sofort kaufen, man kann sie auch erstmal woanders gefahrlos kennenlernen. Das Fremdspielen bewahrt mitunter vor Fehlkäufen.

Ständig neue Spiele

Der Kult des Neuen bedeutet bei Brettspielen, ständig auf der Suche zu sein. Die Suche allein reicht jedoch nicht. Jäger und Sammler ist schön und gut, aber Spiele wollen schließlich auch gespielt werden. Das erfordert eine gehörige Portion Zeit. Die steht nicht immer zur Verfügung, wie kürzlich auch die Brettspielgeeks feststellen mussten.
Ein weitere Faktor beim Hobby Brettspiele ist neben der Zeit nicht etwa das Geld. Irgendwo kann man immer sparen. Eine Woche lang jeden Tag Miracoli-Tag kann auch ganz lustig sein. Aber Ernst beiseite. Das größere Problem ist der zunehmende Platzverbrauch der angeschafften Spiele. Früher oder später kommt der Zeitpunkt, wo die erste Trennung ins Haus steht.
Eine sehr naheliegende Lösung der Probleme ist das so genannte Fremdspielen. Man muss selber nicht immer alle Spiele (sofort kaufen und) besitzen. Es reicht häufig aus, wenn Freunde oder Bekannte im Spielekreis das betreffende Spiel haben. Insbesondere dann, wenn die Personen im Besitzt des Spieles ehedem zu Kreis der favorisierten Mitspieler gehören.

Fremdspielen auf dem Deich

Skitterphoto / Pixabay

Fremdspielen für Anfänger

Das man bei über 450 Spiele im heimischen Regal die Übersicht verliert, ist lediglich eine Illusion. Man muss sich nur auf das Wesentliche konzentrieren. Abgesehen davon haben andere über 1.000 eigene Brettspiele ohne davon Schweißperlen auf der Stirn zu bekommen.
Dennoch sind meine Frau und ich bei den Neuanschaffungen wählerisch (nicht aber vorsichtiger) geworden. Das man Legacy-Spiele nicht selber besitzen muss, sofern man sie bei (und mit) Freunde durchgespielt hat, dürfte sich bereits rumgesprochen haben. Sie sind auch die ersten, die einem beim Stichwort Fremdspielen in den Sinn kommen. Eine Story wie etwa in Pandemic Legacy (Season 1) ist reizlos, wenn man sie zum zweiten Mal durchspielt. Sämtliche Überraschungsmomente sind schließlich keine mehr.
Andere Spiele benötigen eine ganz bestimmte Konstellation wie etwa Twilight Imperium. Die viere Auflage gefällt mir ausgesprochen gut, sie hat erhebliche Verbesserungen im Spielablauf und bei den Regeln. Kaufen würde ich sie mir trotzdem nicht. Zum spielen sind mindestens drei Spieler erforderlich, die mindestens fünf Stunden Zeit haben. Ein idealer Kandidat zum Fremdspielen.

Neues Kennenlernen

Fremdspielen ist für mich mittlerweile wieder eine gute Möglichkeit, neue Spiele kennenzulernen — statt sie wie sofort bei Veröffentlichung blind zu kaufen. Spiele können manchmal einen hervorragenden Eindruck machen, bevor man sie gespielt hat. Erst durch das selber spielen merkt man dann, ob einem Thema, Mechanismus, Material und so weiter liegen.
Gestern Abend etwa kamen beim Fremdspielen zu Hause (auch eine interessante Kombination) zwei Kaufanwärter auf den Tisch. Eigentlich einer, aber dazu gleich mehr. Mit „Das tiefe Land“ hat ich schon geliebäugelt, seit dem ich das fantastische Schachtelcover zum ersten Mal gesehen habe. Ein Spiel um Deichbau und Schafzucht in Norddeutschland. Vor allem ein Spiel, bei dem man Eigenutzt und Gemeinnutz abwägen muss. Nur wenn alle Spieler am Deich bauen, hält dieser der Sturmflut stand. Das wirkt sich letztendlich dann auf die Punktwertung am Ende deutlich aus.
Durch das Fremdspielen gestern bekam ich einen guten ersten Eindruck. Allerdings befürchte ich, dass dieser noch nicht ausreicht. Es gibt bei „Das tiefe Land“ sehr viel zu berücksichtigen, trotz schlanker Regeln.

Spanischer Fliesenleger

Ganz anders sieht es bei Azul aus. Das Spiel wurde bekanntlich ja auf die List der Anwärter zum Spiel des Jahres gehoben. Auch ohne es gespielt zu haben hielt ich es schon für das Beste auf der Liste. Trotzdem kam es nicht in die engere Wahl für einen Selbstkauf. Hier änderte sich meine Einstellung durch das Fremdspielen. Man muss Azul wirklich selber man in der Hand gehabt haben, denn das Spiel lebt vom Material. Super einfache Regeln und bei weitem kein Autisten-Punkteoptimierungsspiel. Sicher, alles dreht sich um Punkte. Man kann aber den Mitspieler gehörig die Suppe versalzen, auch wenn man nicht direkt interagiert.
Aus dem Stand heraus schaffte Azul es, die begehrte „muss ich habe“-Banderole zu bekommen. Das ist dann leider Nachteil beim Fremdspielen. Manchmal verwendet es keine Neuanschaffungen, sondern führt erst recht dazu.

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