Wer sich unter der derzeitigen und möglicherweise zukünftigen SPD-Parteispitze mehr Demokratie erhofft hat, wird erneut enttäuscht sein. Fairer Wettbewerb wird im Willy-Brandt-Haus kleingeschrieben.
Falsche Namenswahl
Persönlich habe ich Willy Brandt nicht gekannt. Die SPD schmückt sich gerne mit seinem Erbe, im Foyer steht eine überlebensgroße Statur von ihm als Ikone. Eine Ikone, die gefühlt zunehmend verstaubt. Die Werte, für die Brandt gestanden hat, geraten in Vergessenheit. Was zählt ist, ist die eigene Absicherung. Und wenn wir schon bei Brands Erbe sind, da gibt es noch einen anderen, echten Sozialdemokraten. Genau heute vor 85 Jahren hielt Otto Wels im Reichstag seine letzte Rede. Eine Rede, welche die Zeit überdauern sollte. Gern wird daraus folgendes zitiert:
Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.
Wells stand für etwas ein, war bereit für diese Sache alles zu geben. Seine Karriere, sogar sein Leben. Das unterscheidet ihn erheblich von den Genossen heutzutage. Meistens verhält es sich nämlich genau umgekehrt. Man opfert alles, nur um auf seinen Posten zu bleiben oder einen bestimmten Posten zu erlangen. Das führt dann zur aktuellen Situation in der SPD und zur Feststellung, dass ein fairer Wettbewerb verhindert, gar nicht gewollt ist.
Fairer Wettbewerb unmöglich
Auch wenn in den Medien, sogar in der von mir ansonsten geschätzten Süddeutsche Zeitung, immer wieder Andrea Nahles als künftige Parteivorsitzende gehandelt wird, ist sie das noch nicht. Man wird auch in der SPD (oder zumindest ist das meine naive Vorstellung) nicht ins Amt gehoben, sondern gewählt. Sofern es keine Gegenkandidaten gibt, ist die Prognose relativ einfach. In diesem Fall ist Frau nahes jedoch nicht die einzige Bewerberin. Ein fairer Wettbewerb um das Amt der Parteivorsitzende wäre jetzt das, was man erwartet — wenn man so naiv ist wie ich. Diesen gibt es aber ganz offensichtlich nicht. Auf der Webseite der SPD wird (in der Rubrik aktuelles) lediglich Andrea Nahles als Kandidatin für den Parteivorsitz vorgestellt. Weder Rolf Allerdissen noch Simone Lange werden vorgestellt, ja nicht mal erwähnt.
Auf Nachfrage erhielt ein Genosse die Antwort aus der Parteizentrale, dies sei auch nicht vorgesehen. Die anderen Kandidaten hätten andere Wege gewählt, wird behauptet. Man könne sich ja mit den entsprechenden Kandidaten direkt in Verbindung setzen. Fairer Wettbewerb? Fehlanzeige! Das ist echt unterirdische liebe SPD. So kann dann von einer fairen, solidarischen und transparenten Wahl keine Rede sein. Wie der Nordkurier zudem berichtet, wird ist die Partei dabei, die Bewerbung von Simone Lange massiv zu torpedieren.