Nach dem ich bisher bei der Krimi-Kost ausschließlich zu solchen Büchern gegriffen habe, deren Autoren ihre Geschichte in der aktuellen Zeit spielen lassen, war „Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher jetzt der erste historische Krimi, den ich gelesen habe.
Meine Vorbehalte gegenüber historischen Krimis begründen sich aus der Überzeugung heraus, dass sie in der Regel nicht historisch sind, sondern nur pseudo-historisch. Ein Krimi im Mittelalter (oder gar in der Steinzeit) ist daher immer etwas lächerlich, finde ich. Das Problem besteht häufig darin, dass die Autoren versuchen, ihr Tatort-Wissen in eine vergangen Epoche zu transportieren. Als Leser weiss man weder, wie es damals genau war noch ob es überhaupt solche Ermittlungsmethoden gegeben hat. Volker Kutscher entgeht allen Fallstricken des historischen Krimis, in dem er seinen Roman in eine Zeit ansiedelt, die nicht so weit weg von uns ist: Berlin im Jahre 1929. Das ist nicht nur eine spannende Zeit (wenn man das so sagen darf) in Deutschland gewesen, sondern so gut dokumentiert, dass man als Autor glaubwürdig die damalige Welt wieder auferstehen lassen kann. Es reichen ein paar Federstriche aus, schon fühlt man sich ins Berlin der 20er Jahre versetzt.
Ebenfalls hervorragend gelungen ist Kutscher die Figur des Kriminalkommissars Gereon Rath, der auf Grund seiner Vorgeschichte (solide: auf einen Prolog wird verzichte, die Vorgeschichte gekonnt eingewoben in die Handlung) nach Berlin versetzt wird. Mir gefällt daran auch, dass Kutscher so einen Polizisten hat, der auf eigen Faust ermittelt. Überhaupt die Figur Rath: kein eindeutiger Guter aber auch kein Bösewicht. Ein Figur in den Schattierungen des Lebens.
Bei dem ganzen Lob fällt es schwer, kritisch zu sein, aber es gibt trotz des ganzen Lobes an den insgesamt gelungen Krimi ein paar Punkte, die nicht man nicht verschweigen sollte. Die Handlung verliert sich etwas im Mittelteil. Die sonst gut verteilte Spannung hat einen herben Einbruch. Man bekommt den Eindruck, dass es dem Buch gut getan hätte, wenn der Text etwas gekürzt worden wäre. Dafür fehlen an anderen Stellen ein paar Informationen, was dem Leser gerade am Ende dann schmerzlich bewusst wird, wenn Rath Schlüsse zieht, die man selber nicht so ziehen konnte. Auf mich wirkte das so, als wenn es dort einen Bruch in der Erzählperspektive geben würde. Das was Rath weiß, müsste man selber auch so gesehen habe, insbesondere bei der Durchsuchung im Delphi.
Über die nach einem Deus Ex anmutende Bestrafung einer anderen Figur, die tief in den Fall verstrickt ist, kann man sich zwar wundern, aber sie geht soweit in Ordnung. Was mich am Schluss etwas stört, wirklich stört, ist das holprige Ende. Wenn man über eine große Distanz läuft, sollte einem nicht kurz vor Schluss die Puste ausgehen. Das Herr Kutscher den Film „Goldfinger“ kennt, dürfte man annehmen. Der Transport des Goldes erinnert stark daran. Nicht gerade originell.
Es sind aber nur diese Kleinigkeiten, die den Lesegenuss, der einen sonst durchs Buch förmlich treibt, etwas trüben. Darüber kann man hinwegsehen und sich an einem gelungene Krimi freuen. Für mich nach einer längeren Durststrecke endlich wieder einer, der nicht ein dumpfes Gefühl der Enttäuschung zurücklässt.
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