Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die kargen Sommertage sind vorbei, es lauert der Herbst mit seinem reichhaltigen Angebot an allen Ecken und Enden. Anfang Oktober wird in den Kirchen Erntedank gefeiert. Bereits dieses Wochenende feierte sich in Köln die Buchkultur. Zwei Veranstaltungen, crime cologne und rheinlesen wurden von Freitag bist heute parallel veranstaltet. Für Freunde der Literatur keine leichte Wahl. Köln bietet ein riesiges Buffet. Was man davon auswählt, stellt wie immer die Qual vor die Wahl. Das das aber alles noch nicht reicht, laufen und liefen zahlreiche Kulturveranstaltung an diesem Wochenende parallel. Unter anderem das Silent Kranhaus Konzert der Band „Erdmöbel“ gestern so wie heute der „Tag des offenen Denkmals“ und die „NippesNacht“. Dabei ist die eigene Aufnahmefähigkeit genauso wie die Zeit begrenzt.

Für Samstag hatten DER CHEF und ich drei Veranstaltungen gezielt ausgesucht, die noch Zeit genug ließen, dass schöne Herbstwetter zu genießen. Los ging es um 16 Uhr im BAY-Zelt mit Carla Berling und ihrem Buch „Vom Kämpfen und vom Schreiben“. Angekündigt im Programmheft war die Lesung mit dem Hinweis, Berling hätte einen Ratgeber für alle verfasst, die gerne schreiben möchten. Gleich zu Beginn korrigierte die Autorin dies. Es ginge in ihrem Buch viel mehr darum, an seinem Traum festzuhalten und ihn gegen alle Wiederstände zu verwirklichen. Carla Berling, in Bad Oeynhausen aufgewachsenen, widerlegte beim erzählen die These vom humorlosen Ostwestfalen. Die Frau hat eine ganze Menge Witz, welchen sie auch gut rüberbringen kann. Gebannt lauschte man ihr, während die Füße im warmen Sand steckten und ein laues Lüftchen durchs Zelt wehte. Um die Zugabe war man auch nicht böse.

Beschwingt von einer gelungenen Lesung ging es dann zur nächsten Veranstaltung. Vorher musste jedoch fachkundiger Rat eingeholt werden, denn mit ausschildern der einzelnen Veranstaltungsorte oder gar abdrucken eines Lageplans im Veranstaltungsheft hat es der Kölner nicht so. Dennoch gelang es uns, die Anlegestelle des Schiffs „Pure Liner“ zu finden, in dem Volker Kutscher aus seinem Krimi „Die Akte Vaterland“ lesen sollte. Es ist sein vierter Roman um den Kriminalkommissar Gereon Rath. Bereits sein Erstling hat einen überwiegen guten Eindruck bei mir hinterlassen. Handlungsort und Zeit, Berlin Ende der 20er Anfang der 30er, sind nicht nur geschickt gewählt, sondern auch gekonnt eingefangen. Man merkt, wie viel Arbeit Kutscher in seine Recherche steckt. Das das Schiff, auf dem die Lesung stattfand, einen kriegsmarinegrauen Anstrich hatte, war bestimmt nur Zufall. Gleiches hofft man in Bezug auf das sehr schaumige und warme Kölsch, welches ausgeschenkt wurde. Dafür kann man Kutscher verständlicherweise nicht verantwortlich machen. Die beiden von ihm vorgelesenen Passagen vermittelten einen Eindruck vom Buch, der von ihm geschilderte Mord ist sicherlich nichts für Leser mit schwachen Nerven – wobei die vermutlich auch keine Krimis lesen werden. Ein Wermutstropfen gab es jedoch bei der Lesung von Kutscher. Während er faktenreich um die Handlung des Buches herum erzählen kann, überzeugte seine Stimme bei der eigentlichen Lesung nicht vollends.

Nach der Lesung musste der durch das warme Früh-Kölsch entstandenen Enttäuschung entgegengewirkt werden. Das vor dem dem Bücherzelt ausgeschenkte Mühlenkölsch war nicht nur gekonnt gezapft, sondern hatte auch genau die richtige Temperatur. Gestärkt ging es um 19:00 Uhr weiter mit „RhEinklang“ im Hafenamt, der langen Nacht der Poesie. Das wir nicht bis zum Ende der Veranstaltung des Autorenforums Köln bleiben würden, stand bereits zu Beginn fest. Dabei hat es nicht mit der Qualität der Autorinnen und Autoren zu tun, sondern eher mit der Konzentration. Lyrische Texte und verdichtete Kurzgeschichten kann man nicht in großen Mengen konsumieren. Zumindest ich muss einzelne Texte sacken lassen. Pures literarisches Konzentrat will aufgelöst und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Alles andere würde denen, die die Texte verfasst haben, auch nicht gerecht werden. Bis zu ersten Pause hielten wird durch und bekamen einen guten Querschnitt mit. Neben Texten gab es ein musikalisches Begleitprogramm, welches einen durchaus deutlich Unterschied zu den einzelnen Texten hatte: die Musik blieb konstant auf hohem Niveau. Mitgenommen haben wir aus der Veranstaltung, dass ein Hut zwar fehlende Haare, aber keinen schlecht vorgetragenen Text verbergen kann. Wenig beeindruckt haben mich zudem die Texte des jüngsten Mitglieds des Autorenforums. Viel Selbstbewusstsein bis hin zur Attitüde, aber wenig, was sich auch nur mit mittelprächtigen Poetry Slam Texten messen kann.

Der Abend klang bei einem Italiener in der Altstadt mit Blick auf den Rhein aus. Egal wie das Restaurant Mama Leone von anderen bewertet wurde, wir fanden es auf jeden Fall überzeugend. Das Steak war auf den gewünschten Punkt gegrillt – was sich auch im Aroma bemerkbar machte. Zwar hätte die Backkartoffel etwas heißer sein können, aber dadurch wäre der Kräuterquark über den Teller gelaufen. Nachtisch gab es aus dem Eiscafe Raffaello in Sichtweite zum Dom.

Kulinarisch, aber nicht literarisch ging es heute morgen beim Frühstücksbrunch im Café Vreiheit weiter. Das dort nur mit Reservierung ein Platz zu bekommen ist, hat mehr als nur einen guten Grund. Der tolle Service ist dabei noch nicht mal mit einbezogen. Beim zweiten wirklich großen Milchkaffee nahm ich mir „Loreley singt nicht mehr“ zur Hand – zumindest so lange, bis DER CHEF zum Aufbruch drängte. Volle Bäuche wollen bewegt werden. Gut zwei Stunden Spaziergang am Rhein (Niehl, nicht Mühlheim) lockerten uns wieder auf. Die Festplatte im Kopf lief jedoch weiter, denn was wir unterwegs alles sahen, musste unbedingt gespeichert werden. Ein Erlebnis heute wird mit Sicherheit im neuen Niederrhein-Krimi von mir auftauchen. Auf den kommenden November freue ich mich daher jetzt schon – zumindest kalendarisch ist da der Herbst noch nicht zu Ende.

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