In nicht wenigen Büchern über das Schreiben (zum Beispiel bei Frey und Zuckerman) findet man die dringende Empfehlung, überlebensgroße Figuren für seinen Roman zu schaffen.
Der Protagonist (und auch der Antagonist) soll nicht wie du und ich sein, sondern eine strahlende, überlebensgroße Persönlichkeit. Zum Ausgleich soll man ihnen dann wiederum Fehler geben, die sie menschlicher werden lassen. Mag sein, dass sich auf diese Weise Bestseller produzieren lassen – Literatur entsteht dadurch allerdings nicht.
Unbestritten gibt es unterschiedliche Lesebedürfnisse, so dass es durchaus auch ein Publikum geben mag, dass sich strahlenden Helden (mit kleinen Fehler, daher im Preis reduziert) wünscht, weil er Abenteuer erleben möchte, die er in seinem normalen Leben nicht erlebt. Ich für meinen Teil habe einen etwas anderen Anspruch an gute Bücher. Sicher, ab und an greife ich auch so Werke, die in einem, sagen wir mal, einfach Stil geschrieben sind und in denen solche ‚larger than life‘ Charaktere vorkommen. Über eine recht einfach Form der Unterhaltung kommt solcherlei Lektüre aber nicht hinaus.
Ein gutes Buch, eine spannende Erzählung so, wage ich zu behaupten, benötigt keine überlebensgroße Figuren, im Gegenteil. Es ist wesentlich interessante lesend zu erleben, wie sich ein ganz normaler Mensch mit den Widrigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen, umgeht. Ob er an den Herausforderungen wächst oder dran scheitert.
Bei dem, was ich selber schreibe, verhält es sich daher genau so. Ich schaffe keine überlebensgroßen Figuren, sondern versuche Menschen zu Papier zu bringen. Gerade das Hineindenken in unterschiedliche Charaktere, das Ausloten ihre Stärken und Schwächen ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Meine Figuren setze ich dann in ein Szenario und schaue, was passiert. Nicht immer verhalten sie sich dann so, wie es der Plot vorsieht,aber keiner von ihnen sprintet „plötzlich“ in die nächste Telefonzelle, um sich sein Cape über zu ziehen (wobei ich mich gerade frage, was im Zeitalter von Mobiltelefonen tatsächlich aus Supermann wird).
Um noch mal auf die Lesungen im Rahmen der lit.COLOGNE (und andere Veranstaltungen davor) zu sprechen zu kommen: so unterschiedlich alle Bücher waren, so gibt es doch einen gemeinsamen Nenner: es gab in ihnen keine überlebensgroßen Figuren (Ausnahme vielleicht: Schätzing mit ‚Limit‘, aber das verdänge ich gerne). Trotzdem waren Texte dabei, wo es eine reine Freude war, sie zu hören.