Das Buch „Köln blutrot“ verspricht eine Sammlung von 16 Krimi-Geschichten mit regionalen Bezug. Beworben wird es auf der mit der Aussage, das „Deutschlands beste Kurzkrimiautoren“ zugeschlagen haben.
Solche Eigenlob macht grundsätzlich erstmal skeptisch. Besonders dann, wenn extra auf das Vorwort von Frank Schätzing hingewiesen wird. Namen sind Schall und Rauch. Eine gute Geschichte spricht für sich selbst und Prominenz noch keine Garantie für irgendwas. Mit der gebührenden Respektlosigkeit habe ich mich daher in der letzten Woche auf die Geschichten gestürzt. Da die Handlungen einen Bezug zu Köln haben sollen (und vermutlich auch wollen), lege ich jeweils auch Wert auf die Feststellung, ob dem tatsächlich so ist und wie glaubwürdig dem Autor das gelungen ist.
Den Anfang im Buch macht Jürgen Ehlers mit „Enger Kontakt zu Tieren“, der vielversprechend beginnt. Der glaubwürdige Humor des Tierpflegers steht leider im Kontrast zu sich entwickelnden Handlung um eine radikale Tierschutzaktivistin. Deren Ableben kommt nicht nur plötzlich, sondern das Ende wirkt billig und aufgesetzt. Handlungsort ist ein Zoo. In diesem Fall natürlich der Kölner Zoo. Allerdings könnte es genauso auch der in Duisburg oder Münster sein. Austauschbar also. Schon mal kein guter Start für „Köln blutrot“.
Der zweiten Geschichte „Brunokowski“ von Jaques Berndorf fehlt zwar auch ein direkter lokaler Bezug, aber die Geschichte ist solide. Die Wendung ist gut gelungen. Auch wenn das Motiv des Mörder vielleicht etwas abgegriffen erscheint, so ist die Erzählung insgesamt stark und überzeugend. Die Dialog wirken nicht aufgesetzt, sondern authentisch. Auf jeden Fall ein guter Krimi.
Bei Kurgeschichten-Sammlungen gibt es ein sehr interessantes Phänomen. Gerade wenn man nach einer Geschichte denkt, dass es jetzt aufwärts geht mit der Qualität der Texte, kommt wieder ein Talfahrt. Eine solche ist für mich „Emily“ von Sibylle Splitter. Die Sprache in ihrer Erzählung ist Geschichte ist umständlich, die Bilder zu dick aufgetragen. Die ganze Zeit fragt man sich zudem, warum die Hautfigur nur K. genannt wird, während alle anderen Namen haben. Die Aufklärung des ersten Mordes erfolgt zu schnell, ist platt. Immer wieder stolpert man über Sätze oder Formulierungen:
Er wählte eine Nummer und landet offenbar in der Pathologie.
Wenn man die Pathologie aufrufen will, landet man da auch. Zudem wählt man nicht eine Nummer, sondern kennt die Nummer – zumindest wenn man schon länger als Kriminalbeamter arbeitet.
Nur das widerspenstige Knäuel ihrer dunklen Haare war noch zu erkennen und saß wie ein kleines, pelziges Tier auf dem Kissen.
Tut mir leid, aber das ist für meinen Geschmack einfach zu dick aufgetragen. Man stösst dann noch auf einen „sonnigen, frostklaren Morgen“. Leider ist das noch längst nicht alles, was diese Geschichte zur meiner Meinung nach schlechtesten Geschichte im ganzen Band macht. Es folgen Zeitsprüngen, langatmige Stellen, bei denen man die Lust verliert, weiterzulesen. In der Luft hängt die Frage, was das Ganze mit Emily soll. Das wird dann zum Ende hin klarer, aber der fade Geschmack bleibt. Bei einer Überarbeitung sollte die Autorin großzügig Adjektive streichen. Was der Krimi bis auf etwas Namedropping mit Köln zu tun hat, blieb mir ein Rätsel. So bitte nicht.
Schon deutlich besser ist da „Thirtythree“ von Nobert Horst. Die Geschichte liest sich gut. Man wundert sich zwar an einigen Stellen, aber das Motiv des Täters ist nachvollziehbar. Der lokale Bezug ist gelungen. Man muss sich nur damit abfinden, dass man künftig, wenn man in der Zeitung was über den „dicken Pitter“ liest, an was ganz anderes denkt als an die Domglocke. Geht in Ordnung.
Der nächste Krimi hat es mit nicht leicht gemacht – was aber nicht an ihm liegt, sondern an einer Geschichte, die sich später im Buch befindet. Auf den ersten Platz kann nur eine von beiden sein, so dass „Entführt in Ehrenfeld“ von Helmut Frankenberg für mich der Krimi mit dem besten Lokalbezug ist. Ganz klar Platz eins Der anderen Text bekommt dann in einer eigenen Kategorie den ersten Platz. Zurück aber zu dem, was Frankenberg geschrieben hat. Am Anfang weiß man noch nicht, worum es genau geht. Zwei Einbrecher? Das klärt sich dann schnell. Die Dialoge sind zum schmunzeln 8man hört die Stimme lebhaft im Kopf), die gewählte Zeitform (Präsens) sorgt zudem dafür, dass man in die Handlung reingezogen wird. Dichter als Frankenberg kann gelingt es keinem der anderen Autoren, seine Erzählung mit dem Handlungsort zu verknüpfen. Den Kölner Karnevalsprinzen kann man nur in Köln entführen und an die Moschee in Ehrenfeld hängen. Das Ende ist glaubhaft, der letzte Satz zieht einen gelungen Schlussstrich unter eine perfekte Geschichte. Herrlich!
Wie sollte es auch anders sein, nach so einem gelungen Text folgt dann wieder eine Talsole. Julis Moll gelingt es mit „Der Kadaver von Kasselberg“ nicht, den Leser zu überzeugen. Bereits am Anfang stolpert man über den Sprachfehler des Assistenten. Der macht nicht nur keinen Sinn, sondern erschwert das Lesen. Jedes Mal reißt es einen förmlich aus der Handlung raus. Die Vergleich sind ebenso wie die Plott-Idee platt. Wieder eine Variation von „Hasch mich, ich bin der Mörder“ – zumindest wird darauf mehr als deutlich angespielt. Teilweise sind die Szenenwechsel zu schnell. Ärgerlich ist auch der Recherchefehler im Text. Google Maps liefert selbstverständlich kein Tagesaktuelles Kartenmaterial, über das sich ein Mordfall aufklären ließe. Das Ende des „Krimis“ ist extrem unbefriedigend. Als Leser fühlt man sich vorgeführt, an der Nase gezogen. Bis heute habe ich auch nicht verstanden, warum jemand schreib, dass ein Plan „so hinfällig wie ein Zitroneneis im Backofen“ geworden sei. Vielleicht bleibt der Autor doch besser bei seinen Koi-Karpfen.
Ganz knapp am Siegertreppchen vorbei geschrammt ist bei mir Ralf Kramp mit „Im Büdchen“. Er verwendet eine Lebendig Sprache, ohne viel Dialekt. Trotzdem ist ist etwas davon drin, so dass die Geschichte glaubwürdig wirkt. Falls lernen möchte, wie man Figuren mit regionalen Bezug erschaffen kann, sollte er sich die Geschichte von Kramp durchlesen. Ihm gelingt es hervorragend. Seine Charaktere kann man sich gut vorstellen. Auch das Ende ist toll. Insgesamt werden für den Leser geschickt Hinweise gestreut, so dass er das Ende erahnen könnte, trotzdem aber überrascht beleibt, weil er nicht darauf gekommen ist. So schreibt man einen guten Krimi.
Stellwerk 60 ist einer der Handlungsorte in „Pas de deux“ von Brigitte Glaser. Ein französischer Titel (Schritte zu zweit) für einen deutschen Krimi. Na gut, wenn es denn unbedingt sein muss und man dafür eine gute Geschichte bekommt. Leider bekommt man eine solche nicht. Die Handlung wirkt lächerlich, aufgesetzt. Wie mit dem Vorschlaghammer in den Test herein geklopft wirkt der lokale Bezug. Das Ende ist absolut unglaubwürdig, da der Beruf der Figur ihre Handlung fraglich erscheinen lässt. Natürlich sollte man die maximale Figurenkapazität ausschöpfen, aber nicht weit darüber hinaus gehen. Klarer Fall für eine Ehrenrunde.
Damit sind die ersten 8 Krimis geschafft. Im zweiten Teil gibt es noch mal eine absolute Perl und leider viel Mittelmaß.
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