Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Stichwahl im Landkreis Sonneberg markiert einen neuen Tiefstand für die Demokratie in Deutschland. Die AfD schafft ab.

Braunes Gewitter

Gestern schrieb ich über das italienische Kartenspiel Scopa. Ein Stichspiel, das aber mit einer Stichwahl nichts zu tun hat. Man wählt zwar mehr oder weniger aus, was für einen Stich man haben möchte — aber das ist was ganz anders. Dafür gab es ebenfalls am Sonntag eine echte Stichwahl im Thüringer Landkreises Sonneberg. Sonneberg, Sonnenstich — man hat da schon so seine Assoziationen.

Gewählt wurde der neue Landrat für den Landkreis in einer Stichwahl, nach dem bei der ersten Wahl kein Bewerber das Rennen für sich entscheiden konnte. Gewonnen hat dann am Sonntag der Kandidat der AfD mit 52,8 Prozent der Stimmen, während der CDU-Kandidat Jürgen Köpper nur auf f 47,2 Prozent kam. Und dass, obwohl neben seiner eigenen Partei auch Grüne, SPD, Linkspartei und FDP für ihn geworben haben.

In der AfD jubelt man wohl wie im 30. August vor 90 Jahren in Nürnberg. Für die Demokratie in Deutschland war der gestrige Sonntag (oder sollte man Sonntag der Gestrigen sagen?) kein guter Tag. Es ist eine böse Vorankündigung für die anstehenden Landtags- und Kommunalwahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg und ebenfalls für die Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Fatale Stichwahl

Der Spiegel schreibt zur Stichwahl, 1930 habe die NSDAP in Thüringen zum ersten Mal Fuß gefasst an war dort an der Landesregierung beteiligt, bevor sie im restlichen Land an die Macht drängte. Insofern kann man das Ergebnis der Stichwahl gar nicht überbewerten, in seiner fatalen Bedeutung.

In der AfD freut man sich darüber, was in einer Demokratie alles möglich sein. Es haben halt auch schon andere die Demokratie mithilfe der Demokratie beseitigt. Ebenso wie auch andere glaubten, man soll die nur machen lassen. Sie würden lediglich ihre eigen Inkompetenz zur Schau stellen und sich selber demaskieren.

In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.
Franz von Papen

Genau das wird nicht passieren, obwohl bereits im Wahlkampf im Landkreis Sonneberg deutlich wurde, für welche Themen sich der neue AfD-Landrat starkmachen will. Für nichts, was normalerweise in den Verantwortungsbereich eines Landrats fällt. Dafür will er aber kämpfen, für etwa Friedensverhandlungen mit Russland (wir sind gar nicht im Krieg, btw.) oder die Senkung der Mehrwertsteuer.

AfD als Partei des Volkes?

Im Übrigen, wofür die AfD bisher im Bundestag gestimmt hat:

  • gegen 5,5 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau
  • gegen höhere Freibeträge für Alleinerziehende
  • gegen einen einmaligen Kinderbonus von 300 Euro
  • gegen bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie
  • gegen die unbürokratische Grundrente für Rentner:innen
  • gegen den Wegfall des Solidaritätszuschlages für rund 90 Prozent der Steuerzahler:innen
  • gegen eine Mindestvergütung für Auszubildende
  • gegen eine Entlastung für Geringverdiener:innen bei den Sozialversicherungsbeiträgen

Und das ist nur ein kleiner Auszug. Die Wählerinnen und Wähler der AfD sollten sich mal durch den Kopf gehen lassen, was sie da eigentlich gewählt haben. Auf jeden Fall mit Sicherheit keine Partie, die sich für ihre Interessen einsetzen.

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