Betrachtet man die Geschichte deutschsprachiger Landstriche über die Jahrhunderte hinweg, wird einem schnell klar, wie wenige Aussagekraft der Begriff „Deutsche Einheit“ hat. Lange Zeit bestand Deutschland eher als Idee im Prinzip nur aus einzelnen Fürstentümer. Eine wirklich starke Konstante war die föderale Aufteilung der Macht.
Aber gut, nach 25 Jahren kann man schon mal von einem Deutschland sprechen. Dem einen ist möglicherweise nach wie vor fremd, diejenigen, die nach 1990 geboren sind, kennen nichts anderes als Deutschland im größeren Rahmen als vor 1989. DDR ist für sie etwas aus dem Geschichtsunterricht.
Man kann an einem solchen Tag wie heute sentimental werden, oder aber die Vorzüge aufzählen. Mir liegt beides nicht. Für mich stand im Vorfeld zum diesjährigen 3. Oktober nur eins fest. So wie vor 25 Jahren wollte ich ihn nicht verbringen.
Damals hatten wir im Freundeskreis so eine merkwürdige Phase. Wir tranken uns Mut an, malten auf Stofflaken eine BRD mit großen Zähnen, die die kleine DDR fraß und sogen damit durch die Stadt. Unserem Motto „Besoffen in die Einheit“ wurden wir mehr als gerecht.
Heute, etwas klüger als damals, würde ich die Vereinigung der beiden deutschen Staaten leicht anders bewerten als damals. Vielleicht auch in der Hoffnung, dass die Verantwortlichen von damals die gleichen Fehler nicht erneut machen würden.
Wie dem auch sei, statt zu feiern oder darüber zu streiten, ob es etwas zu feiern gibt, haben meine Frau und ich das Herbstwetter genutzt. Unterwegs auf dem Elisabethpfad, die zweite Etappe. Von Overath nach Engelskirchen. Engelskirchen? Ja, wir wissen es, das liegt nicht unbedingt auf der Strecke. Das Problem bei Elisabethpfad ist das Sauerland, wenn man das mal so sagen darf. Quer durch das Sauerland bedeutet nämlich fast immer fernab von Bahnhöfen. Das macht uns entsprechend Probleme, da wir auf eine Zugverbindung angewiesen sind.
Einschub: Aus diesem Grund wurde auch nichts aus den Plänen, den Rheinsteig noch mal in Angriff zu nehmen oder aber von Koblenz aus weiter auf dem linksrheinischen Jakosbweg zu wandern — Streckensperrung bis Montag Nacht.
Wir mussten also rechtzeitig nach Norden abbiegen, um in Engelskirchen den Anschluss an die Zivilisation zu bekommen. Womit wir dann wieder beim Thema Anschluss sind. Wer wen an die Zivilisation anschloss, darüber darf gerne diskutiert werden. Vieles in der BRD war damals auch schon furchtbar und einiges im Osten tatsächlich besser. Abgesehen vielleicht von Mauer, Schießbefehl und Staatssicherheit. Das Ampelmännchen sollte nicht das einzige bleiben, neben dem meiner Meinung nach grauenhaften Rotkäppchensekt, was die zeit überdauert.
Nach 25 Jahren können wir gesamtdeutsch immerhin sagen: wir haben einen Bundespräsidenten und eine Bundeskanzlerin, die aus dem Osten kommen. Wobei das halbe gelogen ist, denn tatsächlich ist Angela Merkel in Hamburg geboren. Erst später ging die Familie in die DDR. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.