Das Einzige ungewöhnlich auf meinem Weg ins Büro und wieder zurück sind die Verspätungen der Bahn. Wobei, als Pendler lernt man diese als weniger ungewöhnlich denn häufig einfach hinzunehmen. Sonst ereignet sich wenig, ab und an eine Bombenentschärfung, die mich zu einem kleinen Umweg zwingt. Diese Ereignislosigkeit bedaure ich nicht, im Gegenteil. Eine gewisse Routine mag ich.
Um so mehr wirft mich dann etwas unerwartetes aus der Bahn. Heute Morgen, als ich in Rüttenscheidt mit der U-Bahn ankam, war ein Teil der Franziskastraße auf Höhe des Arosa Hotels gesperrt. Einige Einsatzfahrzeuge der Polizei, ein Krankenwagen und ein Notarzt. Am Straßenrand stand ein Opel Corsa, ein Verkehrsschild lag umgeknickt auf dem Bürgersteig.
Da ist wohl jemand gegen das Schild gefahren, dachte ich noch und ging ein paar Meter weiter ins Büro. Einer meiner Kollegen wusste bereits mehr, er kommt immer etwas früher zur Arbeit, aber er wohnt halt auch in Essen. Eine Frau wurde angefahren, erfuhr ich von ihm.
Etwas später, wir saßen gerade zusammen im Jour fixe, meldeten Presseagentur, was genau vorgefallen war. Ein 80 Jahre alter Autofahrer ist aus bisher nicht geklärten Umständen mit seinem Wagen von der Fahrbahn abgekommen und gegen eine Hauswand gefahren. Dabei erfasste er eine junge Frau, die zwischen dem Auto und der Wand eingequetscht wurde.
Man benötigt nicht viel Vorstellungskraft um zu wissen, das bei einem solchen Zusammenstoß möglicherweise lebenswichtige Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Trotz ärztlicher Versorgung noch am Unfallort verstarb die 27-Jährige wenig später im Krankenhaus.
Mit 27 Jahren einfach so aus dem Leben gerissen werden. Ohne Vorwarnung, ohne die Möglichkeit Abschied zu nehmen. Viel zu jung und viel zu grausam. Auf dem Bürgersteig durch ein Auto zu sterben, damit rechnet man nicht unbedingt.
Was die Ursachen des Unfalls angeht, kann ich auch nur spekulieren. Oder aber mir Fragen stellen. Zum Beispiel die, ob der Fahrer auf Grund seines hohen Alters überhaupt noch in der Lage war, ein Auto zu führen. Es ist kein Geheimnis, dass die Reaktionsfähigkeit im Alter abnimmt. So was lässt sich auch nicht immer durch Erfahrung ausgleichen.
Ein ehemaliger Vermieter von mir fuhr mit über 90 Jahren trotz seiner Sehschwäche noch Auto. Begründet hat er dies stets damit, dass er schließlich schlecht zu Fuß sei. Warum man dann das Leben seiner Mitmenschen gefährdet, habe ich nie verstanden.
Ich für meinen Teil bin für regelmäßige Überprüfungen, ob die Besitzer von Führerscheinen auch noch tatsächlich in der Lage sind, ein Auto zu führen. Mich selber nehme ich davon nicht aus. Auch ich bin im Besitz eines gültigen Führerscheins. Mir fehlt aber die Fahrpraxis, schon seit Jahren. Würde ich mich jetzt hinter das Steuer eines Autos setzen, wäre ich eine Gefahr mich und anderer.
Der Gesetzgeber ist hier meiner Meinung nach ganz klar in der Verantwortung. Ein gewisses Lebensrisiko lässt sich freilich nie ausschließen. Man muss es aber nicht unnötig erhöhen. Das ist die Gesellschaft auch der jungen Frau schuldig, die heute morgen ihr Leben lassen musste.