Auch wenn ich mittlerweile eine Präferenz für eBooks habe, da sie für mich praktischer sind und keinen physikalischen Platz in der Wohnung beanspruchen, sind Buchhandlungen nach wie vor magische Orte für mich. Es sind Orte, an denen man sich spontan verlieben kann — in ein Buch.
Vergangenen Freitag waren meine Frau und ich in Nippes unterwegs, ein paar Besorgungen über den normalen Wochenendeinkauf hinaus. Während ich auf, vermutlich auf Grund möglicher vorhanden irisch-englischen Gene, grundsätzlich immer, also auch im Hochsommer einen Regenschirm mit mir herumschleppe, hatte sich meine Frau auf die trügerischen Strahlen der Sonne verlassen. Nach dem wir Nebenan eine Geburtstagskarte erstanden hatte und gerade das Geschäft verlassen wollte, brach wieder einmal ein Platzregen über die Domstadt und damit auch Nippes herein. Mir wäre der Regen ja egal gewesen, da ich Gummischuhe an hatte und den erwähnten Regenschirm bei mir trug.
Als fürsorglich und liebender Ehemann lässt man seine Frau jedoch nicht im Regen stehen. Als gab ich ihr meinen Schirm. Wir vereinbarten dann, dass sie sich mit meinem Schirm ausgerüstet in der auf der anderen Straßenseite liegenden Drogerie einen neuen, eigene Schirm kaufen sollte (wir haben mittlerweile sieben Schirme zu Hause…). Um nicht selber währenddessen im Regen zu stehen, ging in Nippes schönste Buchhandlung. Es sog mich sogleich, wie sollte es auch anders sein, in die Ecke mit den Krimis. Das Üblich lag dort aus. Wenig, was meine Neugier fesselte. Bis auf ein Buch, was bereits durch sein Cover hervorstach. Keine Leichen, triefendes Blut oder Unheil suggerierende Aufnahmen von oft oder Gegenständen. Es war die „Reise nach Kalino“ von Radek Knapp, die ich dann in den Händen hielt. Wie immer bei mir unbekannten Bücher blätterte zum Romananfang, um die ersten Sätze zu lesen.
„Seit Julius Werkazy zurückdenken konnte, teilte er Probleme in zwei Kategorien ein: in solche, denen er ausweichen konnte, wie unbezahlte Rechnungen, und in solche, die er wohl nie loswerden würde, wie seinen eigenen Namen. Jedes Mal, wenn er ihn auf der Tür seines Büros sah, glaubte er, eine bösartige Macht hätte ihn mit einem zweifelhaften Pseudonym bedacht, das er nicht nur auf der Tür, sondern eines Tages auch auf seinem Grabstein würde ertragen müssen.“
Quelle: „Reise nach Kalino“ von Radek Knapp, Piper Verlag
Einer dieser Buchanfänge, die mich sofort bezaubern. So ein Buch kann man gar nicht ungekauft in der Buchhandlung zurücklassen oder es sich für später aufheben. Ich musste es sofort haben und habe es dann am Samstag in wenigen Stunden durchgelesen.
Der Detektiv Julius Werkazy blieb mir dabei die ganze Zeit so sympathisch wie schon auf der ersten Seite. Radek Knapp hat mit „Reise nach Kaliko“ eine Mischung aus Krimi und Science Fiction geschrieben. Damit sticht das Buch hervor aus der Masse. Knapp hat eine eigene Sprachmelodie und ein langsames Erzähltempo, was viel Raum lässt um ganz in die Handlung einzutauchen. Der Leser erlebt Werkazy, wie er in wenigen Tagen den Fall löst — oder vom Fall gelöst wird, ganz wie man es nimmt, ohne zu viel zu verraten.
Besonders angetan hat es mir die Figur des Julius Werkazy deshalb, weil es sich bei ihm um einen klassischen Privatdetektiv handelt — ohne das zu dick aufgetragen wurde. Gerade weil ich selber in Bezug auf Krimis an einem Wendepunkt stehe, finde ich es interessant, wie Knapp seine Figur angelegt hat. Möglicherweise auch ein Hinweisschild für die Richtung, die ich selber einschlagen könnte.
Wer genug hat von immer gleichen klischeeüberladenen Lokalkrimis, ob sie nun Polizeiarbeit oder private ermittelten Hausfrauen darstellen, sollte eine Reise nach Kalino unternehmen. Es lohnt sich, auch wegen der Fragen, die Knapp mit seinem Buch aufwirft.
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