Einem landläufigen Trugschluss zu folge hängt der Bezeichnung „liberal“ auch ein etwas lockerer Umgang mit dem Gesetz an. Man nimmt es mit der Steuer nicht so genau, oder aber schafft fließende Übergängen zwischen Eigeninteressen und solchen Dritter. Betrachtet man mit dieser Brille, dann haftet nicht nur einer bestimmte politische Partei das Etikett „liberal“ an.
Besonders liberal geht es in der Politik zu, wenn es darum geht, nach Ende der politischen Karriere in der so genannten freien Wirtschaft (auch wenn gerne mal andere Versorgungseinrichtungen bevorzugt werden) unter zu kommen. Gazkonzerne, Eisenbahnen oder sonst wie lukrative Aufsichtsratsposten werden gerne genommen, wenn das Mandatshaltbarkeitsdatum (MDH) überschritten wurde. Mit etwas Anstand lässt man sogar ein paar Monate ins Land ziehen, bevor man mit den Händen wieder aus dem Vollen schöpfen kann.
Böswillige Menschen würden sich sogar dazu hinreissen lassen, dass der typische Politiker erst nach dem Ende seiner Amtszeit zum ersten Mal in seinem Leben etwas gescheites arbeitet. Dies ließe sich aber schnell widerlegen. Vor allem aber muss man vielen ehemaligen Mandatsträgern zugestehen, dass ihre politische Tätigkeit sie mustergültig auf den späteren Beruf vorbereitet hat. Ein aktuelles Beispiel wäre in dieser Hinsicht der ehemalige Entwicklungsminister Dirk Niebel — die älteren von uns werden sich noch an seine Auftritte im Ausland mit Gebirgsjägermütze erinnern.
Nach dem unrühmlichen Ausscheiden der FDP in der Vorrunde, Pardon bei der letzten Bundestagswahl Benötigte das Mitglied Niebel selbstverständlich ein neues Betätigungsfeld. Künftig wird er daher „Spezielle Operationen“ für den Rüstungskonzern Rheinmetall durchführen und diesen „bei der internationalen Strategieentwicklung beraten“, wie es heisst. Nicht nur Hauptmann der Reserve kann Niebel seine Erfahrungen einbringen, sondern auch sein letzter Aufgabenbereich hat ihn auf die neue Rolle vorbereitet. Gerade in Krisenregionen sind Waffen schließlich eine besondere Form der Entwicklungshilfe.
Seiner Partei könnte dies gerade in der Phase einer schweren Identitätskrise als Vorbild dienen. Statt FDP firmiert man künftig unter FDW — Friede durch Waffen. Angesichts der zu erwartenden Verdienste von Herrn Niebel ist es auch eine infame Unterstellung, seine neue Aufgabe in Zusammenhang mit der früheren Angehörig zum Bundessicherheitsrat zu betrachten. Zum Zeitpunkt, als in diesem Gremium das Multimilliardenge- schäft mit Fuchs-Panzern in Algerien abgesegnet wurde, konnte wirklich niemand ahnen, dass die FDP bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 aus dem Bundestag komplett ausscheiden würde.