Früher, in einer Zeit, als meine Volljährigkeit noch weit hinterm Horizont lag, hieß es immer wieder, Fernsehen sei schädlich. Wahlweise würde es verdummen oder aber Kinder dazu verleiten, das Gesehene für die Wirklichkeit zu halten. Die Mutmaßungen über die Auswirkungen von (zu viel) Fernsehkonsum halten nach wie vor an. Tatsächlich scheint es sogar Erwachsene zu geben, die Fiktion und Wirklichkeit kaum noch auseinander halten können. Erwachsene, die dann Serienfiguren aus „Breaking Bad“ nacheifern und selber Crystal Meth konsumieren. Sogar Politiker sollen in Berlin sollen zu dieser Droge gegriffen haben, wie es jetzt heisst. Statt trockene Debatten wird der Reichstag zur Partymeile. eEtblößte Endvierziger tanzen im Plenarsaal und feiern bar jeder Hemmung die Einführung des Mindestlohns.
Nüchtern betrachtet, was zugegeben bei dem Thema schwer fällt, sieht die Wirklichkeit wohl anders aus. Bei der Durchsuchung seiner Berliner Wohnung wurde bei dem betreffenden Politiker nichts gefunden. Wobei das auch daran liegen könnte, dass er vorab über die bevorstehenden Durchsuchung informiert wurde. In seiner Partei werden solche sensiblen Information schon mal versehentlich weiter gegeben. Ehrlich gesagt, kann man den Mann ei Stück weit doch auch verstehen. Politik ist ein hartes Geschäft, welches man nicht ohne Schaden ein Leib und Seele betreibt. Das war bereits Wolfgang Köppen bekannt, als er seinen Roman „Das Treibhaus“ schreib. Und damals gastierte der politische Zirkus noch im beschaulichen Bonn. In Berlin ist alles größer — und wohl auch noch anstrengender.
Sensiblen Politikern bleiben wenig Wahlmöglichkeiten, um ihre Sinne zu betäuben. Sex, Alkohol, Drogen. Selbstmord. Ein beherzter Sprung von der Brücke wie beim fiktiven Abgeordneten Keetenheuves oder aber ein immer noch mysteriöser Abgang in Genf. Wenn man ehrlich ist, sind solche Formen der Flucht kein Ausweg. Man wacht am anderen Morgen auf (außer vielleicht beim Selbstmord) und fühlt sich noch schrecklicher als am Tag zuvor. Quält sich mühsam aus dem eigenen oder fremden Bett, tritt schlaftrunken auf die Hinterlassenschaften der nächtlichen Ausschweifungen. Das was die müden Augen erblicken, möchte man eigentlich weder sehen noch wahrhaben.
Jedoch, es gibt Zeitgenossen, die erklären so ein Lotterbett zur Kunst und lassen es für 3,2 Millionen Euro versteigern, so wie kürzlich Tracey Emin in London. Ein zerwühltes Bett, mit getragenem Schlüpfer, Kondomen, Kippen und halb geleerten Flaschen davon für 3,2 Millionen Euro — den Betrag muss man sich wirklich langsam auf der Zunge zergehen lassen.
Über Kunst lässt sich sicher streiten. Betrachtet man es aber aus einem anderen Blickwinkel, so liegen in Berlin enorme Schätze brach. Kein Politiker müsste sich mehr als Lobbyist mit einem mickrigen Jahresgehalt verdingen, wenn er sein gebrauchtes Inventar an den Mann oder die Frau bringen würde. Deklariert als Kunst fände es sicher Liebhaber.
Nach der Wohnungsdurchsuchung im Falle beim ehemaligen Innenexperten sollte dieser sich gut überlegen, wie er weiter vorgeht. Möglicherweise wäre es eine Option, die gesamte Wohnung im jetzigen Zustand versteigern zu lassen. Wobei sich dann die Frage der Urheberschaft aufdrängt. Am Erlös müssten streng genommen die ermittelnden Beamten zu beteiligen. Was aber wiederum genehmigungspflichtige Nebeneinkünfte wären. Man hat es nicht leicht. Und als Politiker schon gar nicht. Wie man es macht ist auch falsch und gemeckert wird immer. Darauf einen Dujardin.