Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Zugegeben, im Bereich der Sanktionen für begangenen Straftaten gehöre ich zu den Befürwortern von Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Tat beziehen. Wer Graffitis an Hauswände schmiert, sollte meiner Meinung nach Putzmittel in die Hand gedrückt bekommen, um die Schweinerei wieder weg zu machen. Nicht für alles lässt sich das so eins zu eins übertragen, aber wichtige ist meines Erachtens die Sinnhaftigkeit einer Strafe. Diese sollten immer auch eine erzieherische Komponente beinhalten. Einfach nur bestrafen um zu bestrafen, oder gar um Rache walten zu lassen — über diese mittelalterliche Vorstellung sollten wir bereits hinaus sein. Zumindest wäre das meine naive Hoffnung.

Wie dem auch sei, es gibt immer wieder merkwürdige Anflüge, bei denen man sich als aufgeklärter Bürger in Unverständnis an den Kopf greift. So aktuell beim Vorschlag aus Union und SPD, bei Diebstahl und anderen Delikten den Straftäter mit Führerscheinentzug bei zu kommen. Wer so was vorschlägt, sollte sich ernsthaft fragen, welches Bild er vom ÖPNV hat. Sicher, es liegt gerade bei der Bahn einiges im Argen, aber das ist kein Grund, jemanden dazu zu zwingen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Vor allem, was ist, wenn jemand, so wie ich, zwar einen Führerschein aber gar kein Auto hat? Weil er vielleicht überzeugt autofrei lebt? Nimmt man mir dann mein Fahrrad weg oder muss ich sämtliche festen Schuhe abgeben? Strafe sollte möglichst nicht diskriminieren, auch nicht brandmarken. Vor allem nicht diejenigen, die nichts verbrochen habe. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, muss man sich Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel fragen lassen, was man den ausgefressen habe. Autofahren als  Beweis einer sauberen Weste. Pervers würde ich so was nennen. Es ist eindeutig das falsche Signal, vor allem in einer Gesellschaft, in der Mobilität überdacht werden muss.

Vielleicht ließ man sich auch von der irrigen Annahme leiten, dass sich ohne Auto Diebesgut schwerer transportieren lässt. ganz ehrlich, das stimmt nicht. Hier im Stellwerk 60 in Köln leben wir nicht auf einer Insel der Seligen. Dinge verschwinden auch hier. Umgekehrt ist die Siedlung kein Straflager, nur weil hier viele Menschen wohnen, die auf ein Auto verzichten.

2 Kommentare

  1. Wie, Strafe soll nicht zu Rache dienen? Die Strafe soll etwas mit dem Vergehen zu tun haben? Ui, wie revolutionär!
    Hier in Baden-Württemberg ist es leider immer noch üblich, Kinder mit völlig unsinnigen Dingen zu bestrafen, Hauptsache, es wird bestraft. So hat unsere ältere Tochter eigentlich immer gerne den Küchendienst im Hort gemacht – bis zu dem Zeitpunkt, als der Küchendienst als Strafe für andere Kinder eingeführt wurde. Was lernen die Kinder daraus? In der Küche mithelfen ist eine Strafe. Tolle Pädagogik. Und klar, mit dem Führerscheinentzug ist es genau dasselbe. Wer Verbrechen begeht, wird damit bestraft, dass er ÖPNV benutzen muss. ÖPNV als Strafe.

    Auch gerne genutzt: die Kollektivstrafe. Einige Kinder in der Gruppe machen Unfug (oder sind gar – Gott bewahre – laut), die ganze Gruppe kriegt keinen Nachtisch. Was lernt unsere brave Tochter daraus? Brav sein bringt nix. Bin mal gespannt, wann der Gedanke in die Politik Einzug hält: wenn einige Leute aus einer Stadt zu schnell fahren, wird einer ganzen Stadt ein Tag Fahrverbot erteilt. Hmmmmm…… vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht!

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