Ich hoffe, den nachfolgenden Satz muss ich nicht noch all zu oft wiederholen. Bisher dachte ich, beim Krimis schon den schlechtesten gelesen zu haben. Leider habe ich mich geirrt – mal wieder.
Der sogenannte Kriminalroman „Kleine Biester“ von Rob Alef ist bei genauerer Betrachtung gar kein Krimi. Den Zusatz „Roman“ kann man ihm sogar abstreiten, es sei denn, man bezieht so was nur auf den Umfang. Das Buchcover zeigt eine Sandgrube, was symptomatisch für das ist, was Alef vorgelegt hat. Die gesamte Handlung versandet nämlich. Es verwundert, wenn im Anhang davon geschrieben wird, dass Alef für den Roman „Das Magische Jahr“ 2009 für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert wurde – sollte die Nominierung wirklich berechtigt gewesen sein, so müssen zwischen dem Werk und „Kleine Biester“ Welten liegen. Im Klappentext wird davon gesprochen, der „Kriminalroman“ wäre feinsinnig. Tatsächlich ist er das nicht, sondern haarsträubend mit einem deutlichen Hang dazu, einfach nur plump zu sein.
Die Handlung lässt sich kurz wie folgt zusammenfassen. Für die Schüler einer Grundschule in Berlin-Kreuzberg geht es im letzten Jahr vor dem Wechsel um alles. Schaffen sie es durch das Auswahlverfahren auf das Rosenhof-Gymnasium oder müssen sie mit einer anderen Schule Vorlieb nehmen? Gleich im ersten Kapitel verschwindet eine der Schülerinnen in einem Krater, der sich in einem Sandkasten auf dem Kinderspielplatz auftut. Nach und nach kommen weiterer Schüler aus ihrer Klasse bei Unfällen ums Leben, die sich als getarnte Morde herausstellen. Alef verfolgt dabei das Ziel, dem Leser glauben zu machen, einer der Schüler würde dahinter stecken. Am Ende stellt sich dann heraus, dass es Daniela Morgenitz, ein Mitglied der Auswahlkomission vom Rosenhof-Gymnasium war, die der Schule auf diese Weise unpassende Kandidaten ersparen wollte. Für den eingestürzten Sandkasten und einen weiteren war sie jedoch nicht verantwortlich, denn das war das Werk gigantischer Ameisenlöwen, die der 15-jährige Boris mittels Aufbaupräparate aus dem Fitnessstudio seiner Eltern gezüchtet hat – wir sehen, ein Krimi dicht an der Realität. Man könnte das als witzig oder lustig bezeichnen, was man aber nur machen würde wenn man über Sätze wie diesen
„Gibt es denn draußen im Rosenbeet auch Angela Merkel und Gerhard Schröder?“, fragte Pachulke.
wirklich lachen kann. Aber auch in anderer Hinsicht glänzt „Kleine Biester“ mit Schwächen. Schon zu Beginn werden einem die Namen von Figuren nur so um die Ohren gehauen, so dass einem schwindelig davon wird. Kaum hat man sich die Personen einigermaßen gemerkt, führt Alef wieder Unmengen von neuen Figuren ein. Alef genießt es dabei auch, den Leser immer wieder aufs Glatteis zu locken. Während man noch glaubt, zwei Schülerinnen hätten sich im Park bei einem Dealer Drogen besorgt, wird das so aufgeklärt:
Frau Schmitt, Ihnen und Frau Morgenitz wird zur Last gelegt, bei einem Dealer im Siegespark gepanschte Lateinvokabeln und chemische Formeln ohne Lizenz gekauft zu haben.
Es folgt der Schwarzhandel mit Lehrbüchern inklusive die Razzia bei einem Buchhändler. Dick aufgetragen, aber richtig dick kommt es für die katholische Kirche, denn natürlich gibt es auch einen Priester. Dieser ist selbstvertständlich pädophile und steht auf kleine Jungs, was immer wieder genüsslich ausgebreitet wird. Alef steigert sich sogar richtig rein in das Thema und lässt die anderen Figuren tatenlos zuschauen, während Elmar Sutter frei heraus von seinem Treiben erzählt.
Sutter ist Mitglied der Auswahlkomission, die über die Aufnahme von neuen Schülern entscheidet. Seine Kriterien erläutert er den anderen Mitgliedern wie folgt:
„Deshalb rege ich an“, fuhr der Seelsorger fort, „dass jedes Kind in Zukunft auch ein Attest über das Nichtvorliegen von Geschlechtskrankheiten vorzulegen hat, zumindest die Jungen.“
Später äußert sich Sutter gegenüber Kriminalpolizist Pachulke wie folgt:
„Wenn wir übernachten. Es gibt dort Matratzen, Spiegel an der Decke, Seidenpyjamas, Massageöl. Alles, was man für eine Jugendfreizeit braucht.“
Das ist weder lustig noch komisch, sondern führt einfach nur dazu, dass einem schlecht wird. Folgen für den Geistlichen hat es keine.
Widersprüche in den Figuren und Handlungen scheinen Alef auch nichts auszumachen. So spricht sich Direktor Vogler zuerst vehement dafür aus, an zwei siebte Klassen festzuhalten, während er nur ein paar Sätze weiter ohne erkennbaren Wandel von der Idee seiner ärgsten Gegnerin in der Auswahlkommission angetan ist.
Diese Auswahlkommission besteht aus dem Schuldirektor Vogler, der Biologielehrerin Kellinghausen, dem Hausmeister Jablonka (der natürlich ein Ex-Knacki ist), dem bereits erwähnten Sutter und als Vertreterin der Eltern Daniela Morgenitz – die sich am Ende als die Mörderin der Kinder herausstellt, weil ihr die Auswahlkommission zu lasch ist.
Mehrfach wirft Alef mit Szenen um sich, die nur einem Zweck zu erfüllen scheinen: Füllmaterial. Eine Musikstunde, in der die Titelmelodie von Pipi Langstrumpf einstudiert wird, zelebriert Alef über fünf Seiten hinweg in einer ermüdenden Detailfülle:
Die eingeführte Musiklehrerin Frau Retzkow taucht später nicht mehr auf.
Zeitlich weiss der Autor auch nicht, wo er die Handlung genau verorten soll. Mal im Herbst, dann wieder im Sommer. Mal trifft Fred spät nachmittags auf den Polizisten Dorfner, nur um ein paar Seiten weiter den ganzen Tag mit ihm mit der Suche nach ihrer Freundin verbracht zu haben:
Dorfner und Fred verbrachten den Tag damit, den Gang […] von Geröll und Schutt zu befreien.
Fred und Dorfner reden bei ihre Suche über Sutter, der im Keller der Kirche eine Sauna hat einbauen lassen – für sich und seine Jungs.
Gegen Ende merkt man, dass Alef die Lust ausgegangen ist. Einzelnen Szenen werden nur noch angerissen. Die knapp 350 Seiten sind schließlich voll, da muss man nicht mehr schreiben.
Fazit: Selten so einen schlechten Roman gelesen. Ein Krimi ist das, was sich auf dem Niveau von Groschenromanen bewegt, bei weitem nicht.
Es sei denn, Rob Alef wollte mal zeigen, wo der Krimi ursprünglich herkommt. Alle Bemühungen, den Krimi als ernstzunehmendes Genre zu etablieren, werden auf diese Weise zunichte gemacht.