In Bezug auf das Schreiben eines Romans gibt es zwei unterschiedliche Ansätze, die quasi den Ausgangspunkt und die Entwicklung einer Geschichte beschreiben.
Entweder ist, so liest man häufig, ist eine Geschichte „plot driven“ oder „charakter driven“. Mit plot driven ist gemeint, dass der Plot die Geschichte dominiert. Figuren sind (in der Regel) nicht in der Tiefe dargestellt, sondern dienen nur dazu, die Handlung weiter voran zu treiben. Im Gegensatz dazu steht die so genannte als charakter driven bezeichnete Vorgehensweise, bei der Im Mittelpunkt die Figuren mit all ihren Sorgen und Nöten stehen. Sie sind so ausgearbeitet, dass sie weit von Abziehbildern entfernt sind. Bei Romanen der erste Kategorie erinnert man sich später nach dem lesen eher an die Handlung während man bei einer charakter driven Erzählung sich hauptsächlich an die Figuren erinnert.
Soweit die Theorie. Ich für meinen Teil erinnere mich in Bezug auf ein Buch als erstes daran, ob es mir gefallen hat oder nicht. Wie der Autor beim schreiben dabei vorgegangen ist, ist zumindest für mich erstmal zweitranig, solange das Versprechen, den Leser zu unterhalten, eingehalten wird. Als Autor fragt man sich natürlich dabei, welche der beiden Vorgehensweisen die richtige ist. Die Antwort darauf ist schlicht und einfach: es gibt keinen Königsweg. In der Praxis dürfte es (zumindest sofern man nicht Reissbrettromane wie die von Tom Clancy im Auge hat) wohl er so sein, dass beide Formen in einer gesunden Mischung auftreten. Sowohl die Handlung als auch die Charakter sind wichtige Zutaten für einen guten Roman.
Bei mir verhält es sich so, dass ich zunächst eine bestimmte Idee für eine Handlung habe. Ein guter erster Satz, eine ungewöhnliche Begebenheit oder das das Ende. Irgendwas ist schon da. Allein von einer Figur entsteht bei mir keine Geschichte. Das wäre auch merkwürdig, denn es muss etwas geben, was die Handlung erzählenswert macht. Ohne Handlung keine Geschichte. Sobald die Richtung, in die es gehen soll, klar ist, kommen bei mir die Figuren ins Spiel. Sie werden immer weiter ausgearbeitet, bis sie mich überzeugen. Dabei kann es durchaus passieren, dass die Figuren Einfluss nehmen auf die ursprüngliche Idee einer Handlung. Es ist demnach bei mir ein Wechselspiel zwischen beiden Ansätzen.
Beim Krimi (wobei das wieder die Falsche Bezeichnung ist, ich gehe eher von einem Thriller aus), den ich angefangen habe zu schreiben, gab es zunächst ein die Grundidee: grausame Serienmorde. Die werden nicht von alleine begangen, sondern es ist ein Täter dafür notwendig. Stück für Stück taste ich mich dabei an die Figur heran. Für mich wichtig war die Frage, warum er diese Mode begeht. Ich habe so lange Zeit mit Freiem Schreiben verbracht, bis mir ganz klar war, was sein Trauma ist. Daraus ergaben sich dann weitere Fragen. Wie hat er sich entwickelt? Welchen Beruf hat er, was sind seine Hobbys? Stück für Stück ergibt sich so ein Profil. Für mich ist es immer wieder spannend, bei der „Geburt“ einer Figur dabei zu sein. Man beschäftigt sich intensiv mit ihr, tastet sich an Einzelheiten aus ihrem Leben heran. Irgendwann kommt dann der Moment, wo einen die Figur packt, wo man sie so deutlich vor Augen hat, als wäre sie real. Man kennt sie, weiss, wie sie auf bestimmte Situationen reagieren würde. Wie sie spricht, sich kleidet, was sie am liebsten isst. Das ist der Moment, wo man sie auf die Handlung loslassen kann und schaut, wie sich beide zueinander verhalten. Fast (aber auch wirklich nur fast) entwickelt sich dann der Plot – wobei im weiteren Verlauf weitere Figuren und zusätzliche Handlungsstränge hinzukommen können.
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