Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Um nicht weniger als die Vorherrschaft über Roma ringen zwei bis vier Spieler im Spiel Time of Crisis. Dabei handelt es sich bei dem einsteigerfreundlichen Wargame um ein erstaunliches Meisterstück.

Alles für die Familie

Eigentlich würde ich an einem Montag wie diesem bei der Überschrift „Time of Crisis“ eher an Russland und die gestrige Theaterveranstaltung, genannt „Wahlen“ denken. Tatsächlich ist dort aber allenfalls die Demokratie in der Krise, der Imperator Putin selber sitzt erneut unangefochten auf dem Thron — diesmal bis 2024. Aber lassen wir die aktuelle Politik man außen vor und wenden und den Staatsgeschäften in den Jahren 235 bis 285 unserer Zeitrechnung zu. Der vorherige römische Imperator wurde ermordet, in den drauf folgenden Krisenjahren ringen mehrere einflussreiche Familien um die Vorherrschaft.
Sowohl auf politische als auch militärischer Ebene wird versucht, Einfluss auszuüben so wie Gegner und Barbaren in Schach zu halten. Ganz Unerschrocken gehen sogar soweit, sich als Gegenkaiser auszurufen. In Time of Crisis repräsentieren die Spieler einer der (namenlosen) Familien. Derjenige, dem es am Ende gelingt, das größte Vermächtnis zu hinterlassen, geht als Sieger in die Gesichtsbücher ein, während die andere im Staub der Zeit in Vergessenheit versinken.

Time of Crisis

Time of Crisis

Deckbuilding bei Time of Crisis

Im Kern könnte man sagen, bei Time of Crisis handele es sich um eines jener Deckbuilding Spiele, die mal in Mode waren und deren Blütezeit schon fast wieder vorbei ist. Allerdings gibt es eine Reihe von Unterschieden. Analogien kann man allenfalls zu Concordia ziehen. Auch hier stellen sich die Spieler ihr Kartendeck nach und nach zusammen. Gleichzeitig spielt sich das Hauptgeschehen jedoch auf einem Spielplan ab. In beiden Spielen sieht man nicht von einem gut durchgemischten Zugstapel neue Handkarten nach, sondern sucht sich sein Karten für die folgende Runde aus.
In Time of Crisis entsteht jedoch kein wirklicher Wettbewerb um besonders gute Karten, die man erwerben möchte. Alle verfügbaren besseren Karten, die aus dem eigenen Startdeck mehr machen, liegen in ausreichender Anzahl offen aus. Man benötigt „lediglich“ genügend Ressourcen. Bezahlt wurde jedoch nicht mit Punkten die von Karten stammen (wie etwa bei Dominion), sondern das Niveau der Unterstützung in allen eigenen Provinzen dient zum Kartenerwerb. Je mehr Provinzen man hat, desto leichter wird es, höherwertige Karten zu kaufen. Bei Time of Crisis hat man zudem noch die Möglichkeit, das eigene Deck durch abwerfen von Karten schlanker zu machen — muss aber entsprechend ebenfalls bezahlen können.

Kampf um die Vorherrschaft

Der eigentlich Schauplatz des Geschehens ist jedoch der Spielplan, der die einzelnen Provinzen und natürlich im Mittelpunkt Rom zeigt. Den Spieler stehen nicht nur lokale Gouverneure zur Verfügung, sondern auch Armeen, die Generälen unterstellt sind. Eine einzelne Armee kann dabei mehre Legionen und „befreundete“ Barbaren umfassen. Das Zusammenspiel zwischen Politik und militärischen Aktionen macht den Reiz von Time of Crisis aus. In unsere Partei gestern, die zu viert über fünf kurzweilige Stunden ging, kam es nur zu zwei, drei Gefechten zwischen den Spielern. Den erst der Zweit war man mit Barbaren und dem aufsässigen Mob beschäftigt.
Dafür wurde aber politisch das große Rad gedreht. Roma sah mehrere Kaiser, zeitweise erhoben Gegenkaiser, die ein eigenes Reich aufgebaut hatte. Schließlich kam es sogar zu einem Putschversuch der Prätorianer in Rom, der allerdings kläglich scheiterte.

Barbaren, immer Barbaren

Mit einem im Grunde (wenn man ihn erstmal verstanden hat) einfach Mechanismus bietet Time of Crisis eine große Vielfalt an Optionen und möglichen Strategien zum Sieg. Der Wiederspielwert ist in jedem Fall sehr hoch, so dass sich auch der Anschaffungspreis von rund 65 € in jedem Fall rentiert.
Faszinierend ist auch, welche Rolle die Barbaren spielen. Sie gehören keinem Spieler, wohl aber kann man über einzelne Verbände die Kontrolle erlangen und sie in seine Armeen integrieren — wenn man denn die richtige Karte in seinem Deck hat.
Am Anfang stören die Barbaren gar nicht. Sie sind noch zu schwach, um Einfluss zu nehmen. Im weiteren Verlauf können sie zu einer ernsthaften Bedrohung werden, insbesondere dann, wenn sie einen Spieler von zwei Seiten gleichzeitig angreifen. Aber geschlagene Barbaren bringen auch reichlich Punkte, so dass man später an einen Punkt gelangt, wo man förmlich auf den Einfall der Barbaren wartet. Durch die bereits erwähnte Möglichkeit, sich die Barbaren einzuverleiben, können dann gerade im Endspiel mächtige Armeeverbände entstehen, die wie eine Dampfwalze auf den Weg nach Rom alles unter sich begraben.

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