Von allen guten und bösen Geistern verlassen

In einer Gesellschaft wie der unsrigen ist es für das Zusammenleben sowohl erforderlich, Kompromisse auszuhandeln und darauf einzugehen als auch, Rücksicht auf Schwäche und Minderheiten zu nehmen. Natürlich darf es nicht zur einer Diktatur der Wenigen führen, aber im Einzelfall kann es durchaus bedeutet, dass den Interessen einer größeren Mehrheit nicht immer nachgeben werden kann.

geralt / Pixabay

Das vielleicht vorweg, wobei die Überschrift des Artikels einen guten Hinweis liefert, worauf es hinauslaufen wird. Vor etwas mehr als zwei Wochen gab es einen Artikel im Tagesspiegel unter der Überschrift „Legalisiert den Lärm“. Es war nicht ironisch, sondern ernst gemeint. Und nicht nur in Berlin stehen sich Nachtschwärmer und ruhebedürftige Anwohner unversöhnlich gegenüber. Auch aus Köln ist solches bekannt. Bekannt ist mir leider auch die teilweise sehr frechen Antworten, die von politischen Mandatsträgern so gerne geäußert werden:

Wer seine Ruhe haben will, soll doch aufs Land ziehen. Lärm gehört zur Großstadt nun mal eben dazu.

Das sehe ich etwas anders, auch differenzierter. Ruhezeiten sind kein Quatsch, sondern dringend notwendig. Eine Stadt ist keine Partymeile, sondern in ihr arbeiten, wohnen, leben Menschen mit ganz unterschiedliche Interessen. Was wie einleitend beschrieben Kompromisse erfordert. Feiernde fordern gerne Toleranz, wobei diese immer nur eine Einbahnstraße zu sein scheint. Lärm soll toleriert werden, nicht aber das Ruhebedürfnis von Anwohnern.

Natürlich brauchen feiernde Menschen ihren Raum und Ausnahmen müssen auch prinzipiell möglich sein. Aber Sätze wie „das gehört nun mal dazu, wenn man in einer Großstadt wohnt“ bringen mich auf die Palme. Dabei dient „Großstadt“ sowohl als Rechtfertigung und Freibrief für alles mögliche. Gute Nachbarschaft, ob auf dem Land oder in der Stadt ist dann möglich, wenn man aufeinander Rücksicht nimmt. Wenn der Nachbar seinen Geburtstag feiern, lädt er die anderen Nachbarn ein oder sagt zumindest vorher Bescheid. Und nach 24 Uhr sorgt man dafür, dass es nicht mehr so laut zugeht. Feiern geht auch etwas leiser.

Das Lärm und Lärmbelästigung krank machen, muss man wohl niemanden ernsthaft erklären. Die Einschränkungen für Feiernde mögen aus deren Sicht vielleicht ärgerlich sein, aber sie dienen die dem Schutz der Anwohner. Wer grenzenlos feiern will, kann auch mit der selben Logik für die Aufhebung anderer Einschränkungen eintreten, wie es ein Kommentar zum Tagesspiegel-Artikel treffen auf den Punkt brachte:

Ich möchte bitte auch die Abschaffung der Tempo-30-Beschränkungen zwischen 22 und 6 Uhr. Wieso dürfen einige wenige Anwohner den Verkehr derart beschränken?

Ich werde auch nicht das Gefühl los, dass die Feiernden selber in einer sehr ruhigen Gegend wohnen — und laut protestieren würden, wenn Samstag zwischen 14 und 15 Uhr ein Nachbar Rasen mähen würde.

Mich selber würde ich weder als Lerche noch als Eule bezeichnen. Manchmal bleibe ich bis tief in die Nacht auf, gerade weil es dann ruhiger wird und ich mich besser konzentrieren kann Oder aber ich stehe morgens früh auf, weil es der Beruf erfordert — oder ich mir einen Sonnenaufgang ansehen möchte.

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