Thema des 2. Pub ’n‘ Pub gestern Abend im Café Goldmund in Köln war „Kann man Schreiben lernen?“. Eine provokante Frage, die sich nicht auf den Schriftspracherwerb bezieht, sondern auf das Handwerk des Schreibens. Aber genau mit dieser Formulierung ist man schon mitten im Problem, in einem typisch deutschen Problem. Hierzulande fehlt schmerzhaft die Tradition des „Creative Writing“, die in den USA seit über 100 Jahren verankert ist, wie Barbara Glindemann in ihrer Dissertation „Creative Writing – zu den kulturellen Hintergründen und zum literaturwissenschaftlichen und institutionellen Kontext im Vergleich zwischen England, USA und Deutschland“ feststellte.
Verlage, insbesondere Lektorinnen und Lektoren, sehen sich jährlich mit einer Flut von unaufgefordert eingesetzt Manuskripten konfrontiert. Vieles davon stammt von Autorinnen und Autoren, die sich zum ersten Mal an einen eigenen Roman gewagt haben. Und oft sieht man den Texten dies auch an. Selbst hervorragend formulierte Sätze retten den Roman nicht, wenn ihm die wichtigste Komponenten fehlt: Spannung, die durch Konflikte erzeugt wird. Zumindest in der so genannten Genre-Literatur ist dies ein unabdingbarer Bestandteil — das bei der „hohen Literatur“ ganz andere Regel gelten, wäre noch mal ein Thema für sich.
Autorinnen und Autorinnen das Handwerk des Schreibens beizubringen ist eines der Ziele der Bastei Lübbe Academy. Ann-Kathrin Schwarz und Jan Wielpütz, die beiden Referenten des Abends, leiten zusammen die Academy. Sie stellten das Konzept dahinter vor, ohne allerdings auf die einleitende Frage weiter einzugehen. Vielleicht auch deshalb, weil allein die Existenz der Bastei Lübbe Academy bereits eine positive Antwort darstellt. Ein Handwerk ist erlernbar. Nehmen Rüstzeug schadet jedoch eine gewisse Portion Talent und Affinität zum Genre nicht. Auch darüber ließe sich wiederum trefflich streiten.
Der Plot ist der Held in Action.
Einen großen Teil des Vortags des dynamischen Referenten-Duos nahm der Konflikt als Motor der Geschichte ein. Jan Wielpütz verdeutlichte exemplarisch die einzelne Arten von Konflikten:
- Antagonisten Konflikt
- Gruppen-Konflikt (oder auch kollektive Konflikt)
- Situations-Konflikt
Der Antagonisten Konflikt bedarf immer sowohl beim Protagonisten als auch beim Antagonisten jeweils Ziel, Hindernis und Motivation. Gerade das letzte Element, die Motivation, breitet Anfängern zunächst Schwierigkeiten. Ohne Motivation aber kann der Leser die Handlungsweise des Helden nicht nachvollziehen.
Beim Gruppenkonflikt sollte es immer auch ein „Gesicht für die Menge“ geben, eine Figur der Gegenseite, die herausragt und die dem Leser die Identifikation der agnostischen Kraft erleichtert.
Die einzelnen Konfliktarten lassen sich im Rahmen einer Handlung auch auf kombinieren, in dem man sie auf verschiedenen Ebene einsetzt. Ein Beispiel wäre hier der Film „Titanic“, in dem es zum einen den Situations-Konflikt (untergehendes Schiff) gibt, welches den Rahmen vorgibt. Gleichzeitig gibt es den Antagonisten Konflikt zwischen Jack Dawson und Cal Hockey, die sich beide für Rose DeWitt Bukater interessieren.
Festgestellt wurde, dass es zwar auch noch den Inneren Konflikt gibt, aber dieser zumindest in der Genreliteratur jedoch immer auch den äußeren Konflikt benötigt.
Aufgabe des Autors ist es, den Konflikt weiterzuentwickeln. Die Konflikte im Verlauf der Handlung müssen sich dabei steigern, die Hindernisse größer werden. Besonders betont wurde, dass man als Autor einen Vertrag mit dem Leser eingeht, den es einzuhalten gilt. Ebenso empfiehlt es sich nicht, den Protagonisten am Ende sterben zu lassen, denn das verhindert eine Fortsetzung. Insbesondere in der Genre-Literatur sollte man zudem die Möglichkeit, seinen Roman zu einer Serie auszubauen immer im Hinterkopf haben.
In der anschließenden Fragerunde ging es unter darum, welchen Bedeutung persönliches Feedback für Autoren hat. Im Rahmen des Schreibprozesses ist es genauso wichtig wie ein Vertrauensverhältnis zu denjenigen Personen, die sich konstruktiv mit deren Texten auseinander setzen. Onlinekurse, Webinare, können daher immer nur eine Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen sein.
Insgesamt war der Abend sehr kurzweilig. Schade nur, diesmal deutlich weniger Personen im Publikum anwesend waren als beim ersten Mal. Möglicherweise war das Thema der Veranstaltung auch zu spezifisch und an Autoren ausgerichtet.