Eine Gedankenspiel. Stellt euch mal vor, ihr würdet in einem Dorf leben, wo es statt Straßen nur schlammige Wege gäbe. Wo Strom wenn überhaupt von einem Dieselgenerator stammt, wo es fließend Wasser nur dann gibt, wenn es regnet. Die Kleidung, die man trägt ist alles andere als neu und die Schuhe sind mehrfach notdürftig geflickt. Einen Perspektive gibt es weder für einen selber noch für die eigenen Kinder. Der Tag besteht aus Hoffnungslosigkeit. Stumpfsinnig sitzt man vor dem windschiefen Etwas, was man sich nicht mal mehr traut Haus zu nennen.
Bleiben wir noch einen weiteren Moment in dieser Vorstellung. Jetzt hören wir davon, wie gut es anderen Menschen wo anders geht. Erfahren vielleicht zum ersten Mal, dass unser elendes Leben nicht gottgegeben ist, wir also dagegen ankämpfen könnten. Die spannende Frage am Ende dieses Gedankenspiels ist doch, was wir unternehmen würden. Verharren im Elend oder mit aller Kraft versuchen, sich draus zu befreien und jeden nur erdenkliche Möglichkeit nutzen. Ganz ehrlich, ich für meinen Teil würde letzteres machen.
So weit wie auf dem Foto muss man nicht gehen. Das Elend in Kenia, welches ich 2001 erlebte (von daher stammte auch das Foto), hat mich berührt. Und dabei waren die „putzig“ anzusehenden Hütten der Masai noch die bessere Hälfte. Wer vom Flughafen aus durch Mombasa fährt, erlebt hautnah, was Armut bedeutet. Man muss aber gar nicht so weit weg gehen. Ein Blick über drei Grenzen hinweg innerhalb Europas reicht aus. Rumänien — ein Land, bei dem es für einige Bundesbürger bereits reicht, wenn man den Namen in den Mund nimmt, damit ihnen ein kalter Schauer über Rücken läuft. Vorurteile steigen sofort auf, ein Gesichtsausdruck, der gerade noch freundlich war, verzieht sich zu einer hässlichen Fratze.
Geschürt wird die Angst vor der vermeintlichen Armutsmigration von einer Partei wie der CSU, die vergessen hat, wofür das C in ihrem Namen steht. Anfang des noch jungen neuen Jahres wird erneut nach einem schärfen Kurs gerufen, einem härteren Umgang mit den so genannten Armutsmigranten. Menschen, den man pauschal unterstellt, sie seinen Sozialbetrüger, die man am besten direkt an der Grenze erst gar nicht ins Land lässt. In das Land, in dem prominente CSU-Mitglieder Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. „Wer betrügt, der fliegt“ — so steht es in einer Vorlage der diese Wochen anstehenden CSU-Landesgruppen-Klausur. Die einen fliegen aus dem Land, von dem sie sich Rettung aus ihrem Elend erhofft hatten, die anderen fliegen erste Klasse.
Wer von „Einwanderung in das Sozialsystem“ spricht, hat sowohl seinen christlichen Glauben als auch historische Ereignisse vergessen — verfängt, dass auch Deutsche auf Grund ihrer Armut Auswanderer in andere Länder waren. Wer die Angst vor Armutsmigranten schürt, spielt den Rechtsradikalen und Nationalisten in die Hände, versucht Fremdenfeindlichkeit in Wählerstimmen umzumünzen. Wer so handelt, will sich auch nicht vorstellen, wie er selber handeln würde, wenn er jemand wäre, dem es so ginge wie die Menschen, die man am liebsten sofort wieder „nach Hause schicken“ würde.
Natürlich steht am Ende des Regenbogens kein Topf voll mit Gold. Statt verbale Schnellschüsse müssen jedoch Konzepte her, wie sich die Lebensbedingungen der von Armut betroffenen Menschen verbessern lassen. Einfach nur abweisen ist keine Lösung, sondern eher der Anfang weiterer Probleme.
2 Kommentare
Dass „Armutszuwanderung“ irgendwo durchaus verständlich ist, ist die eine Seite der Sache. Viel schlimmer noch ist aber, dass es die von der CSU als Schreckgespenst hingemalte Armutszuwanderung effektiv so gut wie nicht gibt:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-08/mythos-armutszuwanderung
Stimmt, das ist noch ein weitere Punkt. Laut „Spiegel“ äußerte sich die Agentur für Arbeit auch dahingehend, dass es keine Anzeichen von Armutszuwanderung aus Südosteuropa gäbe. Seehofer geht mit billigen Tricks auf Stimmenfang für den Kommunalwahlkampf.