Das TweetCamp in Köln liegt jetzt bereits eine Woche zurück. Nach wie vor geht mir allerdings eine Sache nicht aus dem Kopf, Artefakte aus der Session „Warum Mutti nicht twittern muss – Twitter & die Politik“. Eine Studentin aus Siegen berichtete, dass Kommilitonen und Kommilitonen aus ihrem Studiengang in der Mehrheit mit Twitter wenig bis nichts anfangen könne. Man müsse ihnen häufig erklären, was das sei. In dieser Altersgruppe würde neben dem Chat über facebook vor allem Dienste wie WhatsApp verwendet werden.
Notwendig wäre daher, so die Studentin, die Studierenden an Twitter heranzuführen. Sie hätte das in ihrem Umfeld auch erstmal anderen erklären müssen. Ehrlich gesagt befremdet mich das etwas. Mir und vielen anderen hat niemand Twitter erklärt. Das war learning by doing. Oder, um einen in dieser Woche etwas strapazierten Begriff zu verwenden: Neuland, welches wir selber erobert haben.
Je nach Umfrage und Statistik (Statista / golbalwebindex) verfügen in Deutschland zwischen 2 und 4 Millionen Menschen über einen Twitter-Account. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind das maximal 6 Prozent.
Interessanter wird es, wenn man die Demografischen Daten betrachtet. Laut Futurebiz sind über zwei Drittel der deutschen Twitter-Nutzer zwischen 25 bis 34 Jahren. Das entspricht bei der Gruppe zwischen 25 bis 34 Jahren rund 35 Prozent. In der darauf folgenden Altersgruppe sind es immerhin noch 24 Prozent. Umgekehrt nutzen nur 8 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren Twitter. Bei den Jüngeren sind es lediglich 6 Prozent. Im Vergleich: zwei Drittel der Deutschen facebook-Nutzer sind zwischen 35 und 44 Jahre alt.
Über Zahlen kann man grundsätzlich diskutieren. Es kommt auch immer darauf an, wer in welchem Kontext die Umfrage erstellt hat. Mein Eindruck, auch durch das Alter der Teilnehmer auf dem TweetCamp ist der, dass der Altersdurchschnitt der deutschen Twitternutzer in den nächsten Jahren zunehmen wird. In den jüngeren Generationen kommt Twitter nicht mehr an. Die Zielgruppe altert, ohne das es ausreichend viele neue Accounts von jüngeren Menschen geben würde. Twitter wird, so meine Prognose, ein „Senioren-Ding“. Wenn man so will, ist das nächste große Thema in Bezug auf Twitter betreutes Twittern im Altersheim – immer vorausgesetzt, dass der Dienst auch in den nächsten Jahren bestehen bleibt. Angesichts der zunehmend restriktiveren Politik des Unternehmens in Bezug auf seine Datenschnittstellen ist eine Prognose, wie lange es Twitter überhaupt noch geben wird, schwierig.
Jede weitere Maßnahme, Twitter exklusiver zu machen und andere Dienste, die auf Twitter basieren und Twitter verwenden, auszuschließen, führt zunehmend in eine Sackgasse. Keine Anzeige von Instagram-Bildern mehr im Tweet, die Unterbindung der Möglichkeit, Tweets an IFTTT zu senden oder aber die jüngste Aktualisierung der API, welche die Einbindung von Tweets durch fremd-Skripte auf Webseiten nahezu unmöglich gemacht haben sind alles Anzeichen einem zunehmenden Isolierung. So handelt niemand, der von seinem Geschäftsmodell überzeugt ist. Es ist eher typisch vor Unternehmen kurz vor dem Zusammenbruch. Der verzweifelte Versuch, zu retten, was noch zu retten ist ohne dabei zu erkenne, wie kontraproduktive dieser Versuch ist. Man bohrt schließlich auch keine Löcher in ein sinkendes Boot, damit das eindringende Wasser schneller abfließen kann.
Für viele jüngere Menschen ist Twitter wohl eher kein Neuland, sondern ein alter Hut. Etwas, mit dem man sich nicht beschäftigen will. Die Pioniere selber fallen in eine sentimentale Starre. „Damals, als ich noch Webseiten von Hand gestrickt habe.“ In Bezug auf die Session letzte Woche im Rahmen des Barcamps ließe sich sogar sagen, dass wenn Politiker Twitter für sich entdecken, der Zug längst auf einem anderen Gleis abgefahren ist. Selbst wenn Twitter mehr und mehr von Politikern genutzt wird, heisst das noch lange nicht, das der 140-Zeichen Dienst Mainstream wird. Vor diesem Hintergrund bekommt die Aussage, warum die Bundeskanzlerin nicht twittern muss, eine ganz andere Bedeutung.