Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Trotz unterzeichnetem Koalitionsvertrag befindet sich die neue Bundesregierung noch in der Warteschleife. Ein harter Rückschlag für Friedrich Merz.

Jenseits der Tagespolitik

Seit meinem letzten Blogbeitrag sind es 14 Tage her. Auch wenn ich schon etwas länger jetzt den Kurs fahre, nicht sofort meinem Senf zu jedem Thema dazuzugeben, ist es doch schon eine etwas ungewöhnliche Lange Sendepause. Und das, obwohl die Themen sich wirklich stapeln. Ursache für die Pause sind ein paar WordPress-Projekte, die mich nahezu vollständig in Beschlag genommen haben. Unter anderem habe ich mir auf einem Raspberry Pi (den hatte ich noch von meiner Home Assistant Phase) eine WordPress-Installation samt phpMyAdmin aufgesetzt.

Weil mir das allein nicht reichte, dazu noch ein interaktives Shell-Skript gebastelt, eine reine HTML-Einstiegsseite als Übersicht und eine Dokumentation, bei der mittels Javascript ein Ordner mit Markdowndokumenten geparst wird. Als Nebenprodukt habe ich für meine Frau einen weiteren Pi (der aus dem Lego-Projekt über war) in einem Datenbankserver umgebaut, der einen eigenen Access Point zur Verfügung stellt. Damit hat sie dann endlich im Informatikunterricht und dem streng reglementieren Schulnetz die Möglichkeit, mit den Schülerinnen und Schülern das Thema Datenbanken praxisnah zu unterrichten. Die Kollegen, die zuvor selber was gebastelt hatten, waren nicht bereit, ihre Lösung zu teilen.

Nun denn, kommen wir zu meinem Lieblingsthema Politik. Im Übrigen eines, was ich beim Friseur und anderen Gelegenheiten bewusst nicht anschneide. Es deutlich verfänglich, als zum Beispiel über das Wetter zu sprechen — wobei das dank Klimawandel und Klimawandelleugner auch nich mehr so stimmt.

Koalitionsvertrag und Kanzlerwahl

Meine Meinung zum zwischen SPD und CDU/CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag hatte ich bereist kundgetan. Die Kurzfassung hier: reichlich Kröten zum Schlucken, aber alternativlos. Aus meiner Sicht wäre ein Scheitern ein Sieg für die AfD. Die ist, laut Meldung vom letzten Freitag, jetzt vom Verfassungsschutz als gesichert Rechtsextrem eingestuft worden. Köln kann halt auch mehr als nur Kölsch, Klüngel und Karneval.

Über die Annahme des Koalitionsvertrags seitens der SPD durften alle SPD-Mitglieder abstimmen. Das Ergebnis wurde letzte Woche bekanntgegeben und war doch recht deutlich:

  • Ja-Stimmen: 169.725 = 84,6 %
  • Nein-Stimmen 30.912 = 15,4 %

Die Beteiligung lag bei 56 %. Da damit das Quorum erreicht wurde, ist das Ergebnis des Mitgliedervotums bindend gewesen und führte in Folge zum Abschluss des Koalitionsvertrags. An dieser Stelle lohnt es sich, die beiden vorhergehende Mitgliedervoten zu betrachten. Beim ersten Mitgliedervotum zum Abschluss des Koalitionsvertrages von SPD und CDU/CSU wurde eine Zustimmung von 75,96 Prozent erzielt, bei einer Beteiligung von 78 Prozent.

Die Wiederauflage der Großen Koalition und der ausgehandelte Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD führt zu einem zweiten Mitgliedervotum, diesmal mit 66,02 Prozent Ja-Stimmen und einer Beteiligung von 78,4 Prozent.

Eine ganze Reihe Genossinnen und Genossen haben also diesmal nicht abgestimmt. Über die Gründe wird man reden müssen. Die erste rein digitale Abstimmung war wohl gerade für ältere Genossinnen und Genossen eine zu große Hürde. In meinem Ortsverein habe ich selber mitbekommen, wie viele nicht ohne Hilfe ihre Stimme hätten abgeben können. Zudem sind wohl auch einige Briefe mit der Benachrichtigung und dem QR-Code zur Abstimmung von den Empfänger:innen in den Müll geworfen worden. Der Brief selber ist dann schon auch ein weiteres Hindernis. Der Versand fiel in den Beginn der Osterferien in einigen Bundesländern. Ohne Brief gab es keinen Zugang zu Abstimmung, da nützte es auch nichts, digital affine zu sein.

Saskia Esken ohne Ministerposten

Nach dem der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seinen Teil des künftigen Kabinetts vorgestellt hatte, ging mir eine Sache zuerst durch den Kopf. Selbst wenn die SPD noch Co-Parteivorsitzende Sasika Esken für einen Ministerposten nominieren würde, könnte es zumindest nicht schlimmer werden. Den bisherigen Chef von Mediamarkt Saturn, Karsten Wildberge, zum Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung machen, klang nicht nur für mich wie ein verspäteter Aprilscherz. Wobei für Wildberge zumindest spricht, dass er nicht das Mautdesaster mitzuverantworten hatte oder etwa eine Musterfeststellungsklage der durch den VW-Abgasskandal geschädigten Verbraucher blockierte. So wie Alexander Dobrindt von der CSU damals als Bundesverkehrsminister, der jetzt Bundesinnenminister werden soll.

Dazu noch ein Metzger, der Bundeslandwirtschaftsminister wird und fordert, mehr Fleisch in Kitas und Schulen zu servieren. Das Sahnehäubchen ist dann noch der neue Fraktionsvorsitzende der CDU, Jens Spahn (war mal Bundesgesundheitsminister), der gerne mal die AfD verharmlost. Wie man es richtig macht, zeigt dann die SPD an diesem Monat, als sie ihren Teil des Regierungsteams vorstellte:

  • Lars Klingbeil, Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler
  • Bärbel Bas, Bundesministerin für Arbeit und Soziales
  • Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung
  • Verena Hubertz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
  • Carsten Schneider, Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
  • Dr. Stefanie Hubig, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz
  • Reem Alabali-Radovan, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Von sieben ihr zur Verfügung stehenden Ministerien besetzt die SPD vier mit Frauen. Leute, das können wir doch schon mal als Erfolg feiern! Bei der Union sieht die Quote nämlich anders aus: 6 zu 4 für die Männer.

Kanzler ohne Herzen

Wer am Montag dann dachte, damit sei die neue, Nicht-so-große Koalition auf sicherem Weg, der wurde dann heute eines Besseren belehrt. Die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler scheitert im ersten Wahlgang, ihm fehlten sechs Stimmen.
Aus seiner geschmiedeten Koalition sind es mindestens 18 Stimmen, die fehlten.

Als erste designierter Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik scheitert er damit im ersten Wahlgang. Hämische Freude gab es dann bei der AfD, die umgehende Neuwahlen forderte. Wer immer das Scheitern von Merz zu verantworten hat, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er mit dem Feuer spielt.

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