Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Mit dem Tierwohl ist es so eine Sache. Man muss es sich leisten können.

Grundsätzliches zur Haltungsform

Vorweg erstmal ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema Tierwohl beziehungsweise dem Label „Tierwohl“. Mit beschäftigt das Thema schon etwas länger, eine Zeit lang hatte ich sogar beruflich damit zu tun.

Viele von uns kennen vermutlich das bunte Haltungsform-Siegel der Initiative Tierwohl. Hinter der stecken einige der größten deutschen Lebens­mittel­händler. Das Siegel bezieht sich vornehmlich, wie der Name schon sagt, auf die Haltungsform. Man könnte hier auch vereinfacht sagen, dass die Hersteller beziehungsweise Verkäufer auf einen minimale Standard geeinigt haben — der aber nicht viel gemeinsam hat mit einem unabhängigen Siegel wie Demeter.

Sehr umfassend kann man sich auf den Seiten der Stiftung Warentest und beim ZDF zur Haltungsform informieren. Sagen wir mal so: Wäre Haltungsform 4 eine Hotelkategorie, würde niemand ernsthaft diese als Premium bezeichnen.

Die lustigen Haltungsform-Kennzeichnungen dienen wohl eher der Beruhigung des Gewissens der Käufer. Es ist ja auch schon bezeichnend, das in den Supermärkten keine Produkte mit der Haltungsform 1, der niedrigsten Stufe, zu finden sind.

Wer mal wirklich wissen, will, wie sich die einzelnen Haltungsformen anfühlen, kann sich für sich selber mal den Platz für ein Schwein in den unterschiedlichen Stufen einzeichnen. Es gibt gute Gründe für die Kritik an dem Haltungsform-Siegel.

Geld für Tierwohl

Stellt sich natürlich die Frage, wie ich überhaupt auf das Thema gekommen bin und warum ich dazu unbedingt etwas schreiben wollte. Persönlich würde ich mich als Flexitarier bezeichnen. Ich esse durchaus Fleisch. Dafür aber weniger und bewusster. Entsprechend kaufe ich auch ein. Allerdings geht es auch bei Milch und Milchprodukten ums Tierwohl. In unserem Einkaufskorb landen zwar wöchentlich einige Bio-Produkte, aber durchaus auch viel konventionell produziertes. Und so befindet sich auch auf dem Frühstückskäse ein Haltungsform-Siegel.

Gestern beim Frühstück ging mir dann durch den Kopf, dass Tierwohl leider auch eine Sache ist, die man sich leisten können muss. Wer es sich leisten kann, schaut auf diejenigen herab, die zum Beispiel Fleisch ohne Siegel (als vermutlich Haltungsform 1) kaufen. Schnell ist man selber auch dabei mit dem Spruch, man können ja durchaus weniger Fleisch, dafür aber durchaus besseres kaufen.

Mit anderen Worten: Für die Alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern reicht ja einmal pro Woche Fleisch, während im kinderlose Doppelverdiener-Haushalt jeden zweiten Tag Biofleisch auf den Tisch kommt. Vielleicht gut für das Tierwohl, aber gerecht erscheint es mir nicht.

Wir als Gesellschaft haben hier noch keine Antwort gefunden. Im Übrigen, mal so als Gedanken für auf den Weg. Würde sich ganz Deutschland vegan ernähren, müsste ein erheblicher Bestand an Tieren gekeult und deren Fleisch entsorgt werden. Kein Bauer könnte sich seinen Tierbestand leisten, wenn diese keinen Umsatz abwirft.

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