Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Soll man Fotos bearbeiten oder führt das nur zu einer Verfälschung der Wirklichkeit? Was ist der richtige Weg für Hobbyfotografen?

Unbearbeitete Wirklichkeit?

Neulich in eine Fotogruppe wurde mal wieder ein Bild gepostet mit dem Zusatz „unbearbeitet“. Der wohl beste Kommentar dazu bezog sich nicht auf das Foto, sondern genau auf jenen Zusatz.
Ob man es denn auch gut finden würde, wenn ein Tischler ein Möbelstück abliefere, bei dem das Holz weder gehobelt, geschliffen noch gestrichen sei.

Ein Werk entsteht erst durch die Bearbeitung. Fotos bearbeiten ist also nicht, wofür man sich schämen muss — im Gegenteil. Fotos bearbeiten ist ein natürlicher Prozess, damit aus einem irgendeinem Motiv ein sehenswertes Foto wird.

Es gibt eine Reihe Einwänden und auch einen zunehmenden Trend zurück zur Analogfotografie. Getragen meiner Meinung von der Sehnsucht, möglichst unverfälscht das wiederzugeben, was man gesehen hat. Das ist, mit Verlaub, absoluter Blödsinn. Was wir sehen, wird auch subjektiv beeinflusst.

Bei der Fotografie kommt hinzu, dass sie eine Momentaufnahme ist, in die enorm viele Faktoren hineinfließen. Eine Brennweite von 50 mm (Kleinbildformat) entspricht einem Bildwinkel von 46 Grad und damit etwa dem, was ein Mensch scharf sehen kann. Der tatsächliche Bereich, den menschliche Augen gleichzeitig erfassen liegt jedoch bei 180 Grad.

Der gewählte Ausschnitt durch die verwendete Brennweite ist bereits eine Form der „Bearbeitung“. Dazu kommt, sofern man analog fotografiert, der verwendete Film hinzu. Wer einen 30 Jahre alten abgelaufenen Diafilm verwendet, nimmt letztendlich auch eine „Bearbeitung“ seiner Fotos vor.

Warum Fotos bearbeiten

Ich persönlich bei kein Foto-Journalist. Mir geht es um einen persönlichen Eindruck, den ich mit meinen Fotos vermitteln will. Dazu gehört für mich selbstverständlich auch, meine Fotos so zu bearbeiten, dass sie meine Intention unterstützen. Die Wirkung eines Fotos ist beabsichtigt, die Bearbeitung ein wichtiger Schritt.

Fotos unbearbeitet zu lassen, hat meiner Meinung nach vielleicht auch mit Bequemlichkeit und mangelnden Fähigkeiten zu tun. Insbesondere dann, wenn das Ausgangsmaterial bereits kein stimmiges Foto ist. Mir geht es ums fotografieren, nicht ums knipsen.

In Bezug aufs Fotografieren und meine Fotos ist noch sehr viel Luft nach oben. Allerdings sehe ich so langsam, in welche Richtung ich mich entwickeln möchte. Wichtiger Bestandteil meiner Fotografie und meines Weges ist es dabei, viele Fotos zu machen, ein Motiv mehrfach aus unterschiedlichen Winkeln und mit unterschiedlichen Einstellungen aufzunehmen. Dank digitaler Fotografie verschwende ich damit kein Filmmaterial. Durch das viele Fotografieren lerne ich — mit analoger Fotografie wäre mir das so nicht möglich.

Fotos bearbeiten ist für mich ein wichtiger Teil meines Hobbys. Abgesehen davon gehört die Bearbeitung eines Fotos schon von Anfang an immer dazu. Man kann das sehr schön nacherleben in „Meisterwerke der Fotografie“ von Bernd Stiegler und Felix Thürlemann.

3 Kommentare

  1. Danke für diesen tollen Artikel. Ich bin voll bei dir.

    Die Fotobearbeitung ist wichtig, selbst dann, wenn sie KI-gestützt ist.

    Was ich nur nicht mag, ist, dass bei Instagram und Flickr nach und nach Fotos auftauchen, die kein Fotograf erstellt hat, sondern die in Gänze das Produkt von KI ist. Sicher bin ich nicht. Vielleicht ist mein Eindruck falsch, es wird immer schwerer, KI-generierte Bilder zu erkennen. Damit verschwimmt eine Grenze. Es geht, so fürchte ich, möglicherweise ein Stück eigener Kreativität verloren. Aber diese macht die Fotografie für mich aus.

    1. Moin Horst! Die Fotogruppe auf Facebook (Fotografieren für Anfänger) habe ich mittlerweile wieder verlassen. Es waren meiner Meinung nach auch einige Bilder dabei, die vollständig mittels KI erzeugt wurden. Dazu eine ganze Reihe absolut talentfreier Bilder, die ich persönlich nie veröffentlichen würden und schließlich welche, die so stark bearbeitet waren, als wäre das Bild in einen Topf mit Marmelade gefallen (Marmeladisieren: ein Begriff der von Pavel Kaplun) stammt. Übertreibt man das, ist es einfach nur furchtbar.

      1. Ich bin mittlerweile mit den Farbtöpfen (Marmeladisierung) auch etwas vorsichtiger geworden. Zu Beginn fand ich die Möglichkeiten (Presets) interessant, ja manchmal sogar schön. Inzwischen versuche ich mich bei der Bearbeitung auf Belichtungskorrekturen zu konzentrieren und arbeite ganz gern mit den HSL-Reglern. Meistens lang das.

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