Der Retro-Trend analoge Fotografie erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Die Sinnfrage muss sich jeder jedoch selber stellen.
Eine gebrauchte Minolta Hi Matic E
Bezüglich des sogenannten „Bauchgefühls“ hatte mein damaliger Dozent in Bielefeld, Prof. Dr. Rainer Dollase, einen eigenen Standpunkt. Bauchgefühl, so Dollase sinngemäß, käme vom schlechten Mensa-Essen. Damals führte diese besagte Essen bei mir zum verstärkten Interesse, selber zu kochen.
Wie dem auch sei, ob man es nun Bauchgefühl, Vorahnung oder leise innere Stimme der Vernunft nennen mag — nicht selten liegt man damit doch richtig. Zumindest mir geht es so. Aktuelles Beispiel ist der Kauf einer gebrauchten analogen Kamera bei kleinanzeigen.de. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass der Preis von knapp 50 Euro für eine Minolta Hi Matic E zu günstig sei. In der Regel liegt er über 70 Euro.
Zum Ausprobieren der analogen Fotografie kann man da bestimmt nichts falsch machen, überredete ich mich. Nun, tatsächlich sind die Batterien an der Kamera kein Problem, wohl aber der Auslöser und der Selbstauslöser. Und dann sitzt das Objektiv noch leicht schräg. Immerhin, die Kamera sieht im Regal gut aus. Abgesehen davon erinnert sie mich jetzt jeden Tag dran, dass ich nicht für die analoge Fotografie bestimmt bin.
Klar könnte ich das als Fehlversuch abschreiben und nochmal versuchen, eine Minolta Hi Matic E zu ersteigern. Aber selbst wenn diese einwandfrei (wie lange?) läuft, was hätte ich damit gewonnen? Vor allem, wem will ich was beweisen?
Sinnfrage der analogen Fotografie
Mit einer analogen Kamera werde ich nicht bessere Fotos machen — was umgekehrt aber auch für jede digitale Kamera gilt. Analoges Filmmaterial ist teuer, die Entwicklung kostet extra, Papierabzüge sind ebenfalls teurer als bei digitalen Bildern. Hinzu kommt, dass man bei Fotodienstleistern den Filmstreifen zwar digitalisieren lassen kann, aber als JPEG und meist in einer Auflösung, die ich bei digitalen Bildern vor über zehn Jahren verwendet habe.
Aus meiner Sicht „lohnt“ sich analoge Fotografie nur, wenn man den gesamten Entwicklungsprozess selber in die Hand nehmen kann — einschließlich Dunkelkammer. Alles andere ist eine nostalgische Verklärung mit hinterfragbaren Ergebnissen.
Gestern nach Feierabend habe ich nicht nur Altglas (nein, echtes Altglas und keine Objektive) weggebracht und für den Rückweg meine Sony A 7 IV mitgenommen. Entstanden sind 72 Fotos, von denen am Ende 10 meiner Vorstellung entsprachen. Diese habe ich dann in Lightroom so „entwickelt“, dass daraus ein für mich befriedigendes Ergebnis entstand.
In der analogen Fotografie wären das zwei Filmrollen, die ich ebenso wie das Entwickeln komplett hätte bezahlen müssen. Angewiesen auf einen Dienstleister hätte es wohl auch gedauert, bis ich die Ergebnisse in den Händen gehabt hätte. Für mich hat sich damit die Sinnfrage der analogen Fotografie beantwortet.