Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wird heute 80 Jahre alt. Einige SPD-Funktionäre werden ihm nicht gratulieren.
Standortbestimmung seit 1998
Eine gute tabellarische Zusammenfassung der Biografie von Gerhard Schröder gibt es beim Lebendigen Online Museum. Vor 1998 war Schröder für mich jedoch niemand, dem ich besondere Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Selbst als er 1990 Ministerpräsident von Niedersachsen wurde. Für mich, der in Nordrhein-Westfalen lebte, war Niedersachsen eine gefühlt weit entferntes Bundesland und sein Ministerpräsident für mich ohne Bedeutung.
Erst als Gerhard Schröder zum Kanzlerkandidaten der SPD nominiert wurde, erwachte mein Interesse für ihn — obwohl ich zu der Zeit nicht mehr Parteimitglied war. Nach 16 Jahren CDU-Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl, Jahren, die man wie betäubt erlebte, versprach Schröder einen Wechsel. Die Hoffnung führte bei mir dazu, das ich mir im Wahljahr 1998 eine Wahlkampfveranstaltung von Schröder und Joschka Fischer von den Grünen in Bielefeld auf dem Alten Markt ansah. Groß war die Freude, als Rot-Grün die Bundestagswahl gewann.
Bis einschließlich 2002 empfand ich den Kurs der neuen Bundesregierung insgesamt als positiv. So wohl auch viele Wählerinnen und Wähler, die Rot-Grün 2002 zu einer zweiten Amtszeit verhalfen. Dann wurde 2023 die Agenda 2010 präsentiert. Obwohl selber nicht betroffen, war sie für mich ein Schock. Das wirkt auf mich nicht wie eine sozialdemokratische Politik. So ging es wohl auch nicht wenigen Genossen.
Nach einer Wahlniederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen 2005 führte eine Vertrauensfrage des damaligen Bundeskanzlers zu vorgezogenen Neuwahlen.
Das Ende von Schröder als Kanzler
Mit einem Prozent Vorsprung gewann CDU/CSU mit ihrer Spitzenkandidatin Angela Merkel die Bundestagswahl (obwohl sie eine der schlechtesten Wahlergebnisse für die Union erzielten) und löste Gerhard Schröder ab. Der wollte seine Niederlage zunächst nicht war haben. Genauso gut wie an seinen Wahlkampfauftritt in Bielefeld kann ich mich an ein Interview am Wahlabend erinnern. Sein Verhalten gegenüber Angela Merkel war absolut respektlos.
Rückblickend war es der Moment, wo aus Gerhard Schröder weniger ein Alt-Kanzler, sondern ein Ex-Kanzler wurde. Ohne Amt und vor allem ohne Würde. Wenige Monate später schied er aus dem Bundestag aus und wurde Aufsichtsratsvorsitzenden der Nord Stream AG. Schröder ging, blieb aber SPD-Mitglied. Und ich wurde es 2006 wieder. Auch in der Hoffnung, dass man die Agenda 2010 rückgängig machen und bei der nächsten Wahl Merkel verhindern könnte — beides klappte bekanntlich nicht.
In den folgenden Jahren ließ sich Schröder immer weiter in Wladimir Putins Kaninchenbau ziehen. Der traurige Höhepunkt kam dann 2022, als es er wohl auch aufgrund seiner Freundschaft zu Putin nicht bereit war, sich von diesem zu distanzieren und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen.
Isolierter Lobbyist
Sich für irgendwas zu entschuldigen, das ist nichts, was Schröder kann oder will. Seine Starrköpfigkeit führte dazu, dass viele in der SPD mit ihm brachen, auch Weggefährten wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Es folgte ein Versuch, Schröder die SPD-Mitgliedschaft zu entziehen, was jedoch misslang. Ihm wurden aber zahlreiche Ehrenmitgliedschaften entzogen, auf die Ehrenbürgerschaft von Hannover verzichtete er, bevor ihm diese entzogen wurde.
Am 27.10.2023 wurde Gerhard Schröder für seine sechzigjährige SPD-Mitgliedschaft im kleinen Rahmen und ohne die Bundesspitze der Partei geehrt. Diese bliebt weiterhin auf Distanz zu ihm.
Mittlerweile bin ich wieder SPD-Mitglied. An dieser Stelle möchte ich daher dem Genossen Gerhardt zu seinem 80. Geburtstag gratulieren — trotz seiner Haltung, die ich nicht teile.
Eine Antwort
Egal wie man zu Schröder steht und ob seine Haltung zu Putin richtig oder falsch ist, er hat wenigstens eine. Da sehe ich momentan niemanden in der Politik, der Haltung zeigen würde, oder gar eine hätte. Und – zum 80. Geburtstag nicht zu gratulieren ist so, wie nicht auf eine Beerdigung gehen. Beides hat was mit Anstand zu tun und auch da fehlt es bei den meisten Politikern.