Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Aus dem hässlichen Entlein Emden wird vermutlich nie ein richtiger Schwan. Dafür ist Emden zum Glück auch kein Touristendorf.

Maulen mit Niveau

Über jegliche Art der Veränderung zu maulen — leider gibt es dafür keine Auszeichnung, denn andernfalls wären die Emder Weltmeister. Es scheint schon fast egal zu sein, was an Veränderungen vorgenommen wird, es ist immer ein willkommener Anlass. Wobei die Emderinnen und Emder (in der Mehrzahl tatsächlich Emder) eins nicht können: MMN

Maulen mit Niveau, das würde bereits in die Richtung sachliche Kritik gehen. Lassen wir das aber so, wie es ist. Schließlich hat Emden auch seine guten Seiten. Die werden einem besonders dann deutlich, wenn man zur Abwechslung mal nicht in Emden ist. Wie ich zum Beispiel gestern. Für ein paar Stunden fuhr ich am Morgen nach Leer, um ein paar Fotos zu schießen. Anders gesagt, meine Kamera und ich wollten uns die Beine vertreten.

Zeit dem Umzug nach Emden und seit dem ich Leer von einem Besuch vor zwei Jahren kenne, hatte ich immer das Gefühl, in der falschen Stadt zu wohnen. Leer hat eine charmante Altstadt, eine Fußgängerzone, die den Namen verdient und wirkte auf mich sehr einladend. Was man halt so denkt, wenn man nach einer längeren Fahrradtour sich vor Ort mal kurz in einem Touristendorf die Beine vertritt.

Touristendorf versus Arbeiterstadt

Gestern nutzte ich dann die Gelegenheit, mir Leer näher anzuschauen. Sieh da, Leerstand bei Geschäften wie in Emden gibt es da auch. Die Buchhandlungen in Leer gewinnen auch keinen Blumentopf und der Rest besteht vornehmlich aus vielen Restaurants und Cafés — durchaus nicht schlecht.

Der große Unterschied zu, nennen wir sie mal Arbeiterstadt, Emden besteht jedoch in der enormen Masse an Touristen, die sich durch die Fußgängerzone schieben. Dazu kommen dann noch echte Protzbauten in der Hafengegend. Leer bezeichnet sich selber gerne als „Tor zu Ostfriesland“. Nun ja, für meinen Geschmack haben die dort nicht nur den falschen Tee, sondern auch einen ganz anderen Habitus als in Emden. Man trägt, so mein ganz persönlicher Eindruck, die Nase etwas höher als in Emden.

Da ist mir die etwas ruppige Arbeitsstadt doch deutlich lieber — auch wenn gerade Emdens Autofreunde gerne maulen. Vielleicht liegt es auch dran, wo ich aufgewachsen bin. Wesel (zumindest in meiner Erinnerung) hat in Teilen auch den „Charme“ von Emden. Vieles wurde im Krieg zerstört und danach hastig aufgebaut. Die Stadt wirkte auch wenig einladen, weswegen auch Einheimische zum Einkauf lieber woanders hin (etwa nach Bocholt) fuhren.

Weder Wesel noch Emden sind ein Touristendorf. Keine Kulisse, in denen Menschen leben, sondern Städte zum auch günstigen leben.

Bewusstsein schaffen

Um wieder auf den Anfang zurückzukommen Ich denke, man müsste in Emden ein Bewusstsein dafür schaffen, welche Vorteile die Stadt ihren Bewohner:innen bietet. Mal ganz ehrlich, für den täglichen Bedarf ist alles vorhanden. War und ist in Wesel auch so gewesen. Alles andere bestellt man entweder online oder fährt woanders hin zum Einkaufen.

Wobei man dann allerdings nicht in das Touristendorf Leer fährt, sondern nach Oldenburg oder Bremen.

2 Kommentare

  1. Vielleicht darf ich einen Tipp geben als Emsländer, der sich seit Jahrzehnten dem Rheinland anvertraut hat. Der große Erfolg, dass Bonn nach dem Umzug der Bundesregierung nicht der Bedeutungslosigkeit verfallen ist, nennt man „klagen ohne zu leiden“. Vielleicht ist das erfolgreicher als „maulen“

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