Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Forderung nach beruflicher Mobilität hat angesichts eines massiven Lehrermangels einen merkwürdigen Beigeschmack.

Hausgemachter Lehrermangel

Einer der Vorteile der digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ist die Verfügbarkeit der neuen Zeitung bereits am Abend vor dem Erscheinen der Print-Ausgabe. Das führt bei meiner Frau und mir regelmäßig dazu, dass wir beim Abendessen schon mal einen ersten Blick hineinwerfen können. Gleichzeitig, denn ein weiterer Vorteil des digitalen Abos ist, dass man die Zeitung gleichzeitig auf bis zu fünf Geräten lesen kann.

Aber ich wollte an dieser Stelle keine unbezahlte Werbung für die SZ machen, sondern einen Einsteig finde in ein leidiges Thema. Es geht mal wieder um Lehrkräfte, besonders um allerorts fehlende Lehrkräfte. Jedes Bundesland hat da andere Ansätze (vgl. Brandenburg), um mit dem Mangel umzugehen. In Bayern setzt man quasi auf „Kopfgeld“. Ministerpräsident Söder versuchte jüngst, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern mit Bonuszahlungen und traumhaften Arbeitsbedingungen anzulocken — nicht ohne Proteste in den anderen Bundesländern auszulösen.

Auf die Gründe des hausgemachten Lehrermangels möchte ich allerdings nicht eingehen, genauso wenig wie auf der großspurigen Versprechungen von Söder. Es gibt tatsächlich Menschen, die diesen Versprechungen glaubten und um die soll es gehen. Die SZ berichtet nämlich über einen krassen Fall in der heutigen Ausgabe.

Meine Frau und ich haben uns gestern Abend bereits fleißig aufgeregt und diskutiert. Zu behaupten, man würde insbesondere jungen Lehrkräften in Bayern vor den Kopf stoßen, wäre eine ziemlich Untertreibung.

Natürlich wissen die meisten Arbeitnehmer:innen, dass Wohnortnähe zum Arbeitsplatz eher eine Idealvorstellung ist. Mobilität ist gefragt, auch konnte lange in davon ein Lied singen. Aber der Reihe nach.

Berufliche Mobilität

Die Süddeutschen Zeitung berichtet über eine junge Lehrerin mit Spitzenexamen, die sich aus Schleswig-Holstein nach Bayern hat locken lassen. Ihr Verlobter hatte zuvor im oberbayerischen Landkreis Traunstein einen Job bekommen. Allerdings nicht als Lehrer, sondern in der Privatwirtschaft.

Statt im Umkreis des neuen Wohnorts an einer Schule eingesetzt zu werden, bekam sie nach dem „Friss-oder-Stirb“-Prinzip eine Stelle woanders. Ein bisschen Pendeln wäre ja ok, aber 120 km weit weg vom Wohnort eine Stelle zu haben? Das hat nichts mehr mit Mobilität zu tun, sondern ist für Bayern und sein Schulministerium ein Armutszeugnis.

Die Arbeitszeiten von Lehrkräften haben heutzutage auch nichts mehr mit der romantischen Verklärung von früher zu tun. Für die junge Lehrerin führt die zu häufigeren Übernachtungen in ihrem Camper, wenn ihr die Kraft fehlt, noch bis nach Hause zu fahren. Das zerrt zusätzlich zum Job an den Kräften. Man kann dann ihre Überlegungen, in die Wirtschaft zu wechseln und in der Nähe ihres Wohnorts arbeiten zu können, verstehen.

Camper für Lehrkräfte

Man muss den Artikel in der SZ mehr als einmal lesen, wenn einem nicht sofort klar wird, welche Tragweite hinter einem Begriff wie Mobilität steckt. Hier werden junge Lehrkräfte verheizt, die sich das entweder gefallen lassen oder das Handtuch werfen. Beides nimmt man im Schulministerium billigen in Kauf, statt sich mit vollem Einsatz um die Menschen zu kümmern, auf die man eigentlich angewiesen.

Das Bild von Lehrern, die gezwungen sind in Campern zu übernachten, verfolgte mich in den Schlaf hinein.

3 Kommentare

  1. Ich komme erst jetzt zum Lesen.
    Nach dem Referendariat durfte man sich drei Regionen aussuchen (also zb untergraben, Oberbayern, Schwaben…) von diesen drei Wünschen kann es sein, dass eine Region dabei ist, die man sich gewünscht hat. In meiner ehemaligen Refgruppe gab es aber auch Leute, die keinen der drei gewünschten Regionen zugeteilt wurde. Ich habe, obwohl mein Hauptwohnsitz in Region 1 gemeldet war, meinen dritten Wunsch bekommen. Dort dann ohne wirklich Mitspracherecht einen Ort. Etwas besser haben es Menschen mit Kindern, aber auch das war keine Garantie…

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