Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der zweite Frühling in Menden bringt eine ernüchternde Erkenntnis. Das ostfriesische Exil macht einen zum Einsiedler.

Einsamkeit des Langstreckenläufers

Den Eintrag auf Wikipedia zum Begriff Einsiedler greif ich später noch mal auf. Eigentlich bin ich mir auch nicht sicher, ob er überhaupt in meinem Fall zutreffen ist. Heute Nacht ging mir ein anderes Wort durch den Kopf, ist mir aber wieder entfallen. Vermutlich auch, weil es weniger schmeichelhaft gewesen ist.

Wie dem auch sei, im Kern geht es um die letzten Monate seit dem Umzug von Köln nach Emden. Ah, jetzt fällt mir gerade der Begriff wieder ein. Schwermut. Erklären wir es einfach mal. Vor dem Umzug hatte ich bestimmte Vorstellungen, wie es in Emden werden würde — ohne die Stadt genau zu kennen. Rückblickend beschleicht mich das Gefühl, mit Leer oder Norden besser dran gewesen zu sein, aber das Grundproblem hätte sich auch in den beiden anderen Städten gestellt.

Klar, Corona ist eine Bitch und hat übel dazwischen gegrätscht. Als im November 2019 das Vorhaben von meiner Frau und mir konkreter wurde, war es lediglich eine Biermarke. Jetzt hat uns die Pandemie bereits zwei Jahre im Griff. Dadurch wird das Kennenlernen von Menschen erheblich erschwert.

Leben als Einsiedler

Sich geografische, gesellschaftlich oder mental vom Rest der Gesellschaft distanzieren. Das mache einen Menschen laut Wikipedia zu einem Einsiedler. Geografisch habe ich mich distanziert. Allerdings nicht von der Gesellschaft, sondern von Großstädten wie Köln. Gesellschaftlich oder mental — keine Ahnung. Eigentlich halte ich mich weder für einen Eigenbrötler noch einen Einsiedler. Und vor einen Almöhi ist Ostfriesland definitiv zu flach, ganz abgesehen vom erforderlichen Bartwuchs.

Versuchen wir aber mal, das Ganze weniger ins Lächerliche zu ziehen. Einsiedler mit Homeoffice, es gibt Wochen, da fühle ich mich so. Wenig Kontakt zur Außenwelt, allerdings nicht, weil es mit besonders Spaß macht.

Neue Leute kennenlernen, neue Wege gehen. Es gestaltet sich hier für mich in Emden sehr schwer. Das war in Köln definitiv leichter und unbeschwerter. Mir fehlen auch abwechslungsreichen Spieleabend mit Wein und gutem Essen (so wie gut zubereiteten Ochsenbäckchen…). Ein Brettspielkreis hier in Emden aufbauen, hielt ich für deutlich leichter. Ob das nur an Corona liegt oder an anderen Faktoren, kann ich (noch) nicht beurteilen.

Die Tage und Woche ziehen sich etwas, der März schreitet voran, ohne dass sich das Gefühl von Veränderung breit macht. Es plätschert vor sich hin. Spontan mit anderen zum Strand fahren, grillen und Bier trinken — eine Option, für die vor allem „die anderen“ fehlen.

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