Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Bei der Diskussion um thematisch unpassende Spiele kann der unaufmerksame Brettspieler schnell in die Falle der Doppelmoral tappen.

Wargames vertretbar?

Aktuell sitze ich an der zweiten Überarbeitung meiner für Triumph & Tragedy. Nach wie vor entdecke ich Stellen, wo es eine möglicherweise elegantere Formulierung gibt. Oder wo eine Übersetzung noch nicht ganz den Kern trifft. Mir macht das derzeit Spaß und es tritt genau das ein, was ich mir erhofft habe. Die Spielregeln erschließen sich mir auf eine andere Weise, als wenn ich lediglich die Regeln gelesen hätte.

Wobei es vermutlich egal ist, ob diese bei dem Spiel in Englisch oder Deutsch vorliegen. Nach wie vor bin ich der Meinung, GMT Games könnte die Regeln deutlich zugänglicher gestalten und ein größeres Publikum damit ansprechen. Allerdings sollte man eines hier nicht vergessen. Bei Triumph & Tragedy handelt es sich um ein Wargame. Achsenmächte, der Westen und die UdSSR ringen um die Vorherrschaft in Europa in der Zeit von 1936 bis 1945. Militärische Konflikte sind dabei wahrscheinlich, worauf einem nicht nur die Spielregeln hinweisen, sondern auch das Spielmaterial, welches aus haufenweise militärischen Einheiten besteht.

Ich für meinen Teil kann damit umgehen. Dabei ist mir die menschenverachtende Brutalität des Zweiten Weltkriegs durchaus bewusst. Persönlich kann ich damit leben, dass nicht alle Mitmenschen mein Hobby und das Vorhandensein einiger Wargames in meiner Sammlung verstehen. In die Falle der Doppelmoral tappe ich wie einige andere auch jedoch an anderer Stelle.

Brazil Imperial trifft Doppelmoral

Auf dem YouTube Kanal von Spiellama wurde Anfang des Monates das auf Deutsch bei der Spiele-Offensive (über die Spieleschmiede) erschienen Spiel „Brazil Imperial“ kritisch vorgestellt. Mal abgesehen davon, dass sich die Autoren des Spiels haben sehr stark inspirieren lassen von Scythe ging es auch die Thematik. Das Spiel dreht sich um die koloniale Vergangenheit von Brasilien.

Man kann das durchaus kontrovers diskutieren und gerade ich als Wargamer sollte nicht mit Steinen werfen. Der liebe Alex trägt auch wirklich gute Argumente gegen die Verwendung der Thematik in einem Brettspiel vor. Beim durchlesen der Kommentare zum Video bin ich dann bei einem Einwand hängengeblieben. Der Blick auf das Spieleregal hinter Alex zeigte eine ganze Reihe von nicht unproblematischen Spielen. Der Vorwurf der Doppelmoral stand im Raum.

Dabei ist thematisch an den Spielen nichts auszusetzen. Aber man sollte sich vor Augen führen, wo die Spiele tatsächlich im Wesentlichen produziert werden. Nicht Europa, sondern zum Beispiel in China. Über die Situation der Menschenrechte in China muss man wohl an dieser Stelle nichts mehr schreiben.

Fragwürdige Produktion

Die Doppelmoral greift da, wo ich auf der einen Seite das Thema (eines Spiels durchaus zu Recht) als problematisch bezeichnen auf der anderen Seite aber die Bedingungen, unter denen andere Spiele produziert werden, außer Acht lasse.

Ja, auch hier sitze ich selber wieder im Glashaus der Doppelmoral. Die Olympischen Spiele in China kritisieren, aber fleißig Kickstarter-Spiele kaufen, die garantiert in China hergestellt wurden. Ganz nebenbei: aktuell drucke ich einen Schachteileinsatz PLA aus China.

Insgesamt betrachtet ist undankbar, über Doppelmoral bei Brettspieler zu diskutieren. Vor allem, wenn man im selben Boot sitzt. Persönlich habe ich auch noch keinen Ausweg aus dem Dilemma gefunden, dafür ist Abhängigkeit einfach noch zu groß.

Vielleicht hilft es ja, bestimmt Thema auf etwas kleiner Flamme zu kochen. Das gilt nicht nur für Brazil Imperial, sonder zum Beispiel für Puerto Rico. Im Übrigen: Wenn man sich über Nippel aufregen, hat man vermutlich sonst keine anderen Probleme.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner