Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ein getragener Pullover kann zu einem entscheidenden für ein ganzes Land werden. Andere politische Fragen rücken dagegen in den Hintergrund.

Richtig angezogen

Eigentlich könnte man die Frage, ob man richtig angezogen ist für eine bestimmte Situation oder nicht kurz und pragmatisch beantworten. Richtig angezogen bist du, wenn du saubere Unterwäsche hast. Für den Fall der Fälle, dass man im Krankenhaus landet. Alles darüber ist im Prinzip egal.

Ganz so einfach ist das allerdings nicht. So wird man mit Sicherheit nicht in die Oper gelassen, wenn man ausschließlich mit Unterwäsche bekleidet ist — zumindest nicht Otto-Normalbürger. Auch für ein Begräbnis gibt es so was wie angemessen Bekleidung. Dort in einem Clowns-Kostüm aufzulaufen, ist nur dann passend, wenn der Verstorbene in der Branche gearbeitet hat.

Schließlich gibt es auch noch Wetter und Temperaturen. Oder, wie es mein ehemaliger Sportlehrer so treffend formulierte: Es gibt kein falsches Wetter, sondern lediglich unpassende Kleidung.

Wir lernen draus, dass man anscheinend doch falsch angezogen sein kann. Ob ich aber zu Hause mit Pullover und Jogginghose auf der Couch sitze, ist herzlich egal. Es sei denn, von oben herab schaut Karl Lagerfeld zu:

„Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren!

Gleiches gilt auch für Kapsel-Kaffee, aber dazu hat sich Lagerfeld nie geäußert. Kommen wir aber zurück zum Pullover, schließlich saß der bereits mit auf der Couch.

Dem Scholz sein Pullover

Der Kölner Stadtanzeiger malte gleich schon einen Kulturschock an die Wand, als er über Olaf Scholz und einen möglicherweise etwas zu großen Pullover (Kenner nennen so eine Größe schlicht bequem) berichtete. Kurz zum Vorfall. Auf dem Flug nach Washington hat sich der Olaf was Bequemes angezogen. Einen Pullover halt. Für manche ist das gleich der Untergang des Abendlandes. Andere sind da deutlich chilliger. Leute, das ist kein Stilbruch, sondern einfach nur bequem. Abgesehen davon menschlich.

Ein Politiker, der 24 Stunden am Tag wie aus dem Ei gepellt aussieht, wirkt auf mich persönlich unglaubwürdig. Nicht jedes Bild und jede Situation müssen inszeniert werden. Man kann auch mal fünf gerade sein lassen. Ein Regierungschef, der auf einem Langstreckenflug die ganze Zeit über seinen Anzug trägt und dann zerknittert vom US-Präsidenten empfangen wird, möchte auch keiner auf Fotos sehen.

Lasst de Scholz einfach seinen Pullover. Im Übrigen gibt es deutlich wichtigeres, über das man diskutieren kann. Die aktuelle Corona-Politik der Bundesregierung oder Deutschlands Haltung in der Ukraine-Frage. Vielleicht hat Scholz es mit dem vermeintlichen Stilbruch auch absichtlich gemacht, wohl wissend, dass es zumindest einen Moment lang die Aufmerksamkeit von den unbequemeren Themen ablenkt.

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