Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Neu muss nicht immer automatisch besser sein. Beim Brettspiel Puerto Rico zeigt sich das bei der stiefmütterlich behandelten Neuauflage von 2020.

Schätze im Spieleregal

Die Antwort darauf, ob man zu viele Brettspiele besitzt, gibt einem im Prinzip immer der noch verfügbare Platz zur artgerechten Lagerung. Theorien zu Folge fehlt einem meistens genau das eine Spiel, was man gerade unbedingt spielen möchte. Bei einem der schönsten Hobbys der Welt finde sich ganz unterschiedliche Typen. Reine Sammler, Menschen, die überwiegend spielen wollen und jene, die dem „Cult of the New“ angehören. Zugegeben, ich selber weise Schnittmenge zu allen drei Gruppen auf.

Ich mag es, neue Spiele auszuprobieren und auszupacken. Aber nicht um jeden Preis. Auch habe ich mich von einem erheblichen Teil der Sammlung getrennt. Spiele, die nicht gespielt wurden oder jene, die mechanisch einfach schlecht gealtert waren. In meinem Herzen bin ich hauptsächlich Spieler, aber einer, die nach wie vor auf der Suche nach dem Heiligen Gral. Das eine Spiel, was alle anderen in die Schatten stellt.

Zurück aber zur Sammlung. In der befinden sich trotz oben getroffener Aussage noch Schätze, die nie gespielt wurden. Einer davon ist Puerto Rico. Meine Frau und ich haben uns das Spiel vor sage und schreibe 19 Jahren gekauft. Seit dem ist es nicht einmal gespielt worden.

Zweimal Puerto Rico

Als ich mir vor einigen Monaten die neuste Auflage von Puerto Rico bestellt, war ich mir durchaus bewusst, dass ich eine alte Auflage des Spiels im Regal hatte. Von der Neuauflage hieß es, sie enthielt Spielregeln für zwei Spieler. Das war nämlich der Grund, warum bei uns zu Hause Puerto Rico trotz der zahlreichen guten Bewertungen nie auf den Tisch kam.

Trotz Neuauflage kam bisher immer ein anderes Spiel dazwischen, sodass sich erst am vergangenen Wochenende die Gelegenheit für eine erste Partie ergab. Dabei fiel uns eine ganze Reihe von Dingen auf. So ist unsere Meinung nach das Kartenspiel San Juan nicht nur der kleine Ableger, sondern bietet ein gleichwertiges Spielerlebnis. So viel Anderes steckt im „großen Bruder“ nicht.

Geändert wurden auch die Spielsteine, mit denen Plantagen und Gebäude besetzt werden. Von braun auf lila — die Rassismusdebatte unterschlage ich mal an dieser Stelle ebenso wie den eher peinlich wirkenden Kommentar in den Spielregeln. Meiner Meinung ist Puerto Rico mechanisch gut gealtert und hat auch heute noch seine Berechtigung im Spieleregal.

Allerdings hätte der Neuauflage von 2020 mehr Sorgfalt bei Spielmaterial und den Regeln gutgetan. Die Plantagen haben keine Beschriftung mehr wie in früheren Auflagen. Selbst in den Regeln ist diesbezüglich ein anderes Material abgebildet. Das kann man aber verkraften. Wirklich irritierend ist der Text zur 1. Erweiterung, denn es bleibt absolut unklar, wie die Gebäude zu platzieren sind — hier wurden auf dem entsprechenden Spielplan die aufgedruckten Gebäudekosten der Vorgängerversionen weggelassen. Unberücksichtigt blieb auch, dass es bei den roten Gebäuden bereits entsprechende Felder auf dem Plan gibt.

Nachlässige Neuauflage

Spielerisch kann man mehr Puerto Rico die Mängel verzeihen, man fragt sich aber schon, warum die Neuauflage zu nachlässig behandelt wurde. Meine Frau und ich haben ja die Möglichkeit des direkten Vergleichs mit der ersten Auflage aus unserem Fundus. Peinlicherweise fiel uns in dem Zusammenhang dann auf, was ich vor langer Zeit mal ausgedruckt und in die Schachtel gepackt hatte. Neben zusätzlichen Gebäuden (die spätere 1. Erweiterung) lag dort auch ein Blatt mit Spielregeln für zwei Spieler drin. Einen Unterschied zur Auflage von 2020 gibt es diesbezüglich nicht. Entsprechend hätten wir das Spiel auch schon vor etlichen zu zweit Jahren spielen können.

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