Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Schwäche des Staates ist für Querdenker eine Aufforderung. Ohne gesetzte Grenzen wird Hass weiter zunehmen.

Tödlicher Nebenjob

Wenn ich bisher den Namen Idar-Oberstein hörte, verband ich das mit Halbedelsteinen. Es gibt Menschen, die glauben an die Heilkräfte von Halbedelsteinen. Das ist in etwa genauso seriös wie auf das Bauchgefühl zu hören und nicht zur Impfung zu gehen. Damit sind wir dann bei den Querdenkern und einem Mord vom vergangenen Wochenende. Für mich wird der jetzt genau auf lange Zeit mit Idar-Oberstein verbunden sein.

Möglicherweise ist der vorherige Absatz kein gelungener Einsteig. Das liegt wohl an der Schwierigkeit, meine Gedanken zu sortieren. Ein 20 Jahre alter Mensch ist tot. Erschossen von einem Querdenker beziehungsweise jemanden aus dem Dunstkreis der Szene. Man kann nicht mal sagen, der Ermordete wäre zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Der 20-Jährige jobbte neben seinem Studium als Kassierer an einer Tankstelle. Hier müssen wir kurz unterbrechen, ein Hinweis sei erlaubt. Für Studierende sind die vergangenen anderthalb Jahre kein Zuckerschlecken gewesen. Ein normales Studium mit Präsenzveranstaltungen in der Uni war nicht möglich. Viele lernte alleine zu Hause, gerade Erstsemester mussten auf Kontakte zu anderen Studierenden verzichten. Für alle eine belastende Situation. Nur mal so als Hinweis, wenn wir gleich auf den Täter zu sprechen kommen.

Hetze der Querdenker

Vergangenen Samstag betrat abends ein 49-jähriger Mann die Tankstelle, um sich zwei Six-Pack Bier zu kaufen. Ohne Mund-Nasen-Bedeckung lief er durch den Verkaufsraum und trat auch so an die Kasse heran. Der Kassierer wies ihn auf die Maskenpflicht hin, worauf der Mann unverrichteter Dinge die Tankstelle verließ. Wenig später kommt der Mann mit Maske zurück, holt sich erneut das Bier und zieht an der Kasse die Maske herunter. Erneut ermahnt ihn der Verkäufer, worauf der Mann einen Revolver zieht und den Studenten in den Kopf schießt.

Der Mann, so heißt es, wolle ein Zeichen setzen, worauf die Querdenker auf Telegram und anderswo in Jubel ausbrechen und ihn für seine Tat feiern. Weiter heißt es von Täter, die gesamte Situation der Corona-Pandemie hätte ihn stark belastet und er habe keinen anderen Ausweg gesehen. An dieser Stelle möchte ich dann noch mal in Erinnerung rufen, was ich ein paar Zeilen vorher über die Situation der Studierenden in der Pandemie geschrieben habe.

Eine als belastend empfunden Situation ist keine Entschuldigung für einen Mord. Und ein Mord war es, denn die Tat geschah nicht im Affekt. Der Täter ist extra nach Hause gegangen, hat sich seine nicht registrierten Revolver genommen und in voller Absicht genau so gehandelt wie beim ersten Mal. Dass er erneut ermahnt werden würde, war ihm sicher bewusst.

Masken sollen Leben schützen

Egal was Querdenker und Corna-Leugner von sich geben, die Masken dienen dazu, Leben zu schützen. Dass jemand sterben musste, weil er auf die Wichtigkeit des Maske-Tragens hingewiesen hat, ist entsprechend entsetzlich. Für mich schlimm ist auch, in welcher Gedankenwelt sich der Täter offensichtlich befindet.

Ganz bewusst lehnt er die Schutzmaßnahme gegen Corona ab, genauso wie die Querdenker. Deren Hass auf den Staat und alle Menschen, die nicht ihrer Meinung sind, ist zum ersten Mal sichtbar für alle tödlich geworden. Es sollte ein Zeichen gesetzt werden, sagt der Täter. Also steht der ermordete Kassierer für alle anderen von uns, die als Schaffnerin, Verkäufer, Kontrolleure, Lehrkräfte, Polizistinnen (und viele mehr) arbeiten und die Einhaltung der Maskenpflicht einfordern. Anders gesagt, jeder kann zur Zielscheibe werden. Eine Eskalation, die den Querdenkern nur recht ist.

Dabei ist der Hass nichts, was überraschend über Nacht gekommen ist. Auf den Demonstrationen der Querdenker in den letzten Monaten kündigte er sich an, wurden offen ausgelebt und traf auf kaum Gegenwehr durch den Staat.

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