Richter sind auch nur Menschen mit all ihren Fehlern. Mit dem Mantra erspart man sich die Verzweiflung angesichts krasser Fehlurteile.
Aufruf zur Meinungsfreiheit
Fangen wir mal mit einem einfachen Gedankenspiel an. Genervt von den vielen Touristen hier in Emden würde ich auf die Idee kommen, Schilder mit „Ertränkt alle Kölner“ aufhängen. Selbst wenn es dafür gute Gründe geben würde, ist das meiner Meinung nach nicht mit Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Nach § 111 des Strafgesetzbuchs ist das eine öffentliche Aufforderung zu einer Straftat. Es droht dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren — allerdings nur unter der Voraussetzung, dass mein Aufruf ohne Folgen geblieben ist.
Weder bin ich Rechtsanwalt, noch kenne ich mich aus einem anderen Grund mit unserem Rechtssystem genauer aus. Das so ein Aufruf strafbar ist, erschein mir aber richtig zu sein. Meinungsfreiheit schön und gut, aber sie hat auch Grenzen. Dachte ich zumindest bis heute Morgen.
Das Verwaltungsgericht Chemnitz scheint nämliche die Meinungsfreiheit deutlich großzügiger auszulegen. Um in meinem Beispiel zu bleiben: Mein Aufruf wäre straffrei und legitim, wenn meine Plakate einen Mindestabstand von 100 Metern zu Kölnern hätten.
Nun müssen wir zunächst einmal klarstellen, dass die Justiz in Deutschland unabhängig ist. enauer gesagt steht folgendes im Artikel 97 Abs. 1 des Grundgesetzes:
Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.
Dafür gibt es gute historische Gründe. So soll eine unparteiische Rechtssprechung ermöglicht werden. Allerdings gilt: Selbst wenn die eigene Rechtsauffassung anders aussieht, muss ein Richter auf Grundlage der geltenden Gesetze entscheiden.
Spielraum für Richter
Dennoch gibt es vermutlich reichlich Spielraum für Richter. Abgesehen davon, wenn alles so einfach wäre, gäbe es keine höheren Instanzen zur Korrektur von Fehlurteilen. Für mich ganz deutlich ein Fehlurteil ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz. Darin geht es nicht um Kölner, sondern um die Grünen. Genauer gesagt um die Partei rechtsextreme Partei „III. Weg“ und ihre Wahlplakate.
Auf diesen steht in großen Buchstaben „Hängt die Grünen“. Während die Stadt Zwickau diese entfernen lassen wollte, klagten die Rechtsextremen dagegen. Und bekamen von den Richtern Recht.
Ausdrücklich bezog man sich auf die Meinungsfreiheit und die Möglichkeit zur Wahlwerbung. Das „kommunikative“ Anliegen der Rechtsextremen dürfe nicht beeinträchtigt werden, so die Urteilsbegründung.
Für mich bleibt das ein unverhohlener Aufruf zum Mord am politischen Gegner. Eine Aufforderung zum Lynchmord. Das auch nur ein Richter in Deutschland nach dem Mord an Walter Lübcke überhaupt auf die Idee kommt, so was sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, ist schlichtweg entsetzlich.
Die Stadt Zwickau geht jetzt vor die nächst höhere Instanz. Man kann nur hoffen, dass die Richter am Oberverwaltungsgericht eine andere Haltung einnehmen.