Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Demontage von Politikern wird erst mit einer gewissen Fallhöhe interessant. Über die tragische Figur Franziska Giffey.

Doktor, ich kann wieder!

In einer Zeit, in der in Deutschland Adelstitel nicht mehr en vogue sind, müssen Alternativen. Am besten etwas, womit man in den irgendwie klüger wirkt. Es ist nur ein Gerücht, dass akademische Grade wie zum Beispiel ein Doktortitel nicht genau dafür erfunden wurden. Nun wollen wir uns ja nicht über Akademiker lustig machen. Auch nicht über Politiker mit akademischen Titeln. Am Rande sei im Übrigen erwähnt, dass ein Arzt nicht automatisch Doktor ist, was umgekehrt genau so gilt. Mit dem Spruch „Lassen sie mich durch, ich bin Doktor!“ kommt man daher nicht wirklich weiter. Eigentlich. Dennoch dient so ein Titel nicht nur zur Verzierung der Rückseite des eigenen Personalausweises.

Wir Menschen lassen uns halt noch immer beindruckend, was die Werbung („Ich als Zahnarztfrau…“) schon immer wusste. Aus diesem Grund glauben einige von uns, es wäre der politischen Karriere förderlich, wenn man einen akademischen Grad aufweisen kann. Als Nachweis der eigenen Expertise, auch wenn man sich dann fachfremd betätigt.

Wie auch immer, die Liste derjenigen Politikerinnen und Politiker, die über Plagiatsvorwürfe aus dem Amt gestolpert sind, wird immer länger. Die gestern als Bundesfamilienministerin zurückgetreten Franziska Giffey ist nicht die Erste und sicher auch nicht die Letzte. Merkwürdig ist allerdings, dass Plagiatsvorwürfe häufig erst dann auftauchen, wenn die bereifende Person eine gewisse Fallhöhe hat.

Notwendigkeit der Fallhöhe

Die Fallhöhe ist ein Begriff aus dem Drama. Auf den Punkt gebracht wird erst durch eine entsprechende Fallhöhe einer Figur das Dram interessant für die Zuschauer. Ein Held aus dem Adel, der alles verliert, ist deutlich spannender als ein Held unter den Leibeigenen, der alles verliert (was denn auch?). Je höher der Rang innerhalb einer Gesellschaft, desto größer die Fallhöhe. Platt gesagt, erst wer oben ist, wird für Klatsch und Tratsch richtig interessant.

Wäre Franziska Giffey eine Hinterbänklerin in einem Stadtrat einer ostdeutschen Ortschaft, wären die Plagiatsvorwürfe keine Zeitungsmeldung wert. Möglicherweise aber würde sie es auch nicht geben.

An dieser Stelle möchte ich Giffey auf keine Fall in Schutz nehmen. Wer bei seiner Dissertation unkorrekt und falsch vorgegangen ist, trägt seinen Doktortitel zu Unrecht. Das mag dann zwar vielleicht auch für den Charakter des Menschen sprechen, meistens aber spricht die tatsächlich geleistet politische Arbeit für die Person.

Die kann man im Fall von Giffey beurteilen. Meiner Meinung nach ist sie kein Grund für einen Rücktritt. Anders sieht das aus im Fall des Bundesverkehrsministers und Maut-Mauschlers Andreas Scheuer (CSU). Der hat zwar keinen Doktortitel, aber verdammt viele Gründe zurückzutreten. Daher spricht der Rücktritt von Franziska Giffey eher für sie statt gegen sie.

2 Kommentare

  1. Nun, ich finde nicht, dass der Rücktritt für Giffey spricht, da sie ihr Amt eh aufgegeben hätte, bzw. sie es nicht mehr richtig ausfüllen hätte können, wenn sie in Berlin Wahlkampf für ihre SPD hätte machen müssen, damit sie den Sprung zur Regierenden Bürgermeisterin in Berlin schaffen kann. Dieses Ziel hat sie nicht aufgegeben und so wirkt ihr Rücktritt auch eher wie ein Schachzug, um sich besser auf den Wahlkampf in Berlin konzentrieren zu können. Einen tiefen Fall wird Giffey erst dann erleben, wenn sie es nicht schafft, die Berliner SPD zur stärksten Fraktion zu machen.

    1. Na ja, ob Schachzug oder nicht. Andere klammern sich ja trotz Kanzlerkandidatur an ihr Amt als Ministerpräsident in NRW. Was die Berliner SPD angeht, da bin ich auch mal gespannt.

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