Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Trotz Lockdown verkaufen viele Restaurants ihr Essen zum mitnehmen. Das ist jedoch nur ein schwacher Ersatz für ein entgangenes Erlebnis.

Soziales Wesen Mensch

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ — wieder einer dieser Sprüche, die im ersten Moment mindestens so altbacken klingen wie drei Wochen altes Brot. Bei näherer Betrachtung ist jedoch eine Menge dran. Mit genügend Brot, sogar mit dem besten Essen und den besten Getränken der Welt allein auf einer einsamen Insel wird man eines schnell merken. Der Mensch ist vor allem ein soziales Wesen. Ein paar willkürlich zusammengetragenen Gedanken dazu.

Essen dient nicht nur der schnöden Nahrungsaufnahme, sondern ist ein verbindendes soziales Event. Im Alltag vergessen wir das meistens, schlingen hastig im Gehen irgendwas „to go“ in uns rein. Erst an Freitagen wie Weihnachten bemerken viele wieder, wie wichtig Essen im Kreis von vertrauten Menschen für uns eigentlich ist.

So verbindenden Rituale beginnen bereits mit dem Frühstück. Aus diesem Grund finde ich es besonders schlimm, wenn es Familie gibt, bei denen die Kinder ohne ein gemeinsames Frühstück mit den Eltern (oder zumindest einem Elternteil) aus dem Haus geschickt werden.

Auswärts essen gehen ist aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht zu unterschätzen. Man lernt Neues kennen, was man möglicherweise so nicht selber zu Hause kochen würde. Ein Restaurant ist ein neutraler Anlaufpunkt, um Menschen kennenzulernen. Zudem kann man sich ganz auf die Menschen konzentrieren und die Speisen genießen, weil niemand in der Küche stehen muss — das erledigen andere für einen.

Lebensgeschichte mit Essen

Im Essen stecken auch Lebensgeschichten. Ein Erkenntnis, die mir heute Nacht mal wieder bewusst wurde. Über Jahrzehnten kochen meine Frau und ich zusammen. Wir haben nicht nur eine Reihe von Lieblingsrezepten, sondern bereiten auch bestimmte Gerichte auf unsere eigene Art und Weise zu.

Über die Jahre sind eine Menge Erfahrungen dazu gekommen. Wissen, was jede Mahlzeit ein Stück weit besser macht. An einigen Rezepten und Gerichten hängen auch Erinnerungen dran. Die erste Lasagne, ein Rezept, welches wir in jedem Urlaub gekocht haben. Sogar unser erster Fondue-Topf, der im vergangenen Jahr seinen Einsatz in der Ferienwohnung auf Borkum hatte.

Unsere Rezepte, unser Essen — das macht uns ein Stück weit auch aus. Mich macht das etwas wehmütig zu wissen, dass das nach uns nicht weiter sein wird. Es gibt zwar eine Rezeptsammlung, aber kein Rezeptbuch, welches man hinterlassen würde. Vor allem keinen, dem man es hinterlassen könnte. Das trifft natürlich auf viele Dinge wie Bücher oder die Spielesammlung zu. Aber bei den Rezepten empfinde ich es am stärksten.

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